1500 Stasi-Leute zum „wissenschaftlichen Gerätebau“ übernommen

■ Der Leiter der Arbeitsgruppe „Sicherheit“ des Runden Tisches berichtete über die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit

Die Schlange vor dem Gebäude der ehemaligen Staatssicherheit in der Gotlindestraße in Ost-Berlin formiert sich jeden Tag aufs neue. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich auch der letzte der offiziell über 85.000 Mitarbeiter des DDR-Staatssicherheitsdienstes den neuen Verordnungen zufolge hat entlassen lassen. Aber was heißt „entlassen“?

Darauf eine schlüssige Antwort zu finden, ist nur eines von vielen Problemen, mit denen sich Peter Neumann, Leiter der Operativgruppe der Arbeitsgruppe „Sicherheit“ des Runden Tisches derzeit konfrontiert sieht. Die Operativgruppe stellt immer wieder fest, daß alte Stasileute in neuen Stellungen auftauchen, in denen sie nichts zu suchen hätten. Um dies sofort zu unterbinden, hat am 22. Februar der Koordinator zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, Werner Fischer, einen Brief an Minister Ahrendt, DDR-Minister für Innere Angelegenheiten, geschrieben, worin diese Praktiken begeklagt und die Einhaltung der bestimmten Übernahmekriterien gefordert werden. Für Fischer ist eine Voraussetzung für die Übernahme der Leute das Vorhandensein eindeutiger moralischer Integrität und die Notwendigkeit für einen Spezialisteneinsatz für bestimmte Aufgaben. Der Übernahmekandidat darf auch keine leitenden Funktionen ausüben und nicht Teil einer geschlossen übernommenen Struktur sein.

Die Mißachtung dieser Punkte - nicht nur seitens des Innenministeriums - macht Peter Neumann und seiner Gruppe ständig zu schaffen. So stellte sich kürzlich etwa heraus, daß der VEB Wissenschaftlicher Gerätebau ganze Betriebsteile übernommen hat, die unter dem alten Regime Spionage- und Nachrichtentechnik hergestellt hatten. Es handelt sich dabei um insgesamt rund 1.500 Beschäftigte, die jetzt vom „Gerätebau“ zentral verwaltet werden. Die AG Sicherheit vermutet unlautere Praktiken und eine Verschleierung der Tatsache, daß es sich dabei um eine Fortsetzung der ehemals staatssicherheitlichen Entwicklungs- und Forschungstätigkeiten unter einem anderen Mäntelchen handelt. Noch am 21.2., einen Monat nach der Übernahme, konnte der Gerätebau-Betriebsdirektor keine klare Auskunft darüber geben, wieviele Objekte denn nun wirklich übernommen worden sind - und was genau mit den leitenden Angestellten passiert ist.

Solcherart globale Rechtsträgerwechsel erscheinen den Leuten von der AG Sicherheit hochgradig suspekt. Peter Neumann plädiert dafür, alle Übernahmeobjekte in kleine, überschaubare Einheiten zu zerlegen, die örtlich auch von Bürgerkomitees kontrolliert und nicht wieder zentral verwaltet werden. Die Bürgerkomitees, die eine wichtige unterstützende Rolle für die Arbeitsgruppe Sicherheit spielen, sollten nach Meinung von Peter Neumann auch nach den Wahlen auf keinen Fall aufgelöst werden, da die regionale Kontrolle der Unzahl solcher Objekte auf jeden Fall sichergestellt werden muß.