Nicht gewartet - besetzt

■ Bürgerinitiative besetzte Laden in der Auguststraße 61

Als Laden sind die Räume allerdings kaum noch kenntlich. Berge von Schutt und Müll, zerbrochene Fenster, defekte Dielen, Putz bröckelt von den Wänden. Einige Minuten gehen die Mitstreiter der Bürgerinitiative „Spandauer Vorstadt“ noch unschlüssig durch die verwüsteten Zimmer, ahnend, welcher Arbeits- und Zeitaufwand hier investiert werden muß, bevor sie als Büro für Besucher überhaupt benutzbar sind.

Jemand schlägt auch gleich ein besseres Objekt in der Linienstraße vor - zwei Zimmer, Gasheizung, und in bewohnbarem Zustand. Aber genau das wollen die Initiatoren nicht, so verlockend das Angebot angesichts dieses Ladens auch sein mag. Kein potentieller Wohnraum soll verwendet werden, so leicht wollen sie es sich nicht machen.

„Die Bürger sollen sehen, daß wir uns wirklich aus dem Dreck herausarbeiten, um ihre Belange dann konsequent zu vertreten“, meint Hans Stark, einer der Gründer der Initiative, „wir setzen uns doch nicht ins gemachte Nest“. Symbolhaft soll dieser Laden hergerichtet werden, als erster Schritt zur Rekonstruktion der gesamten Spandauer Vorstadt. Und die Mieter im Haus? Frau Ackermann ist 70 und wohnt seit zwanzig Jahren hier, genau über dem Laden. Graut es ihr vor dem Krach? „Det stört ma nich, ick find jut, wat die Bürjerinitiative will. Die alten Häuser sind doch och schön, wenn man wat draus macht.

Aber ab zehne abends will ick och meine Ruhe haben“, fügt sie hinzu. Also Unterstützung der Mieter im Haus für das Projekt? „Aber klar doch, die KWV hat sich nie um uns jekümmert, nur det Notwendigste jemacht. De jungen Leute setzen sich doch och für uns ein. Notfalls jeh ick och noch mit uff de Straße“, erklärt die alte Dame kämpferisch.

Mittlerweile wird im Laden nach kurzem Zögern heftig geräumt. Wir stehen im Staub. Karin Baumert bringt gute Nachricht für die Instandbesetzer: „Der Chefkonservator von Berlin unterstützt unseren Antrag, die Spandauer Vorstadt auf die Denkmalliste zu setzen. Er empfielt dem Ministerium für Kultur, diesen Antrag anzunehmen“. Dort wird die Sache letztlich entschieden. Hoffentlich ist auch ein neuer Minister auf der Seite der Bürgerinitiative.

Auf der anderen Straßenseite schon heute die Polizei, die mißtrauisch herübersieht, bevor sie weiterpatrouilliert. Wie wird sich die Polizei nach der Wahl gegenüber den Hausbesetzern in Berlin verhalten? Juckt ihnen schon die Hand am Knüppel, wie hier einige befürchten, oder werden sie etwas anderes unter Bürgernähe verstehen als ihre Kollegen im Westen? Draußen vor der Tür des Ladens malen Kinder Plakate. „Für mehr Grün!“ steht auf einem zu lesen. Damit dürfte jedoch kaum die Polizei gemeint sein. Uwe Meye