All you need is ... Geist

■ Wahlspots im DDR-Fernsehen: Referate und Langeweile dominieren

Die Wahl macht's möglich. Nach über eineinhalb Jahrzehnten Abstinenz bietet das DDR-Fernsehen (seit gestern „Deutscher Fernsehfunk“ - d. Red.)wieder Werbung. Noch werden zwar nicht Hundefutter, Kopfschmerztabletten oder Fliesen -Reiniger angepriesen, aber die politische Reklame hat bereits ein Dauer-Abo im Abendprogramm. Kurz vor 19 Uhr im Zweiten und etwa zehn Minuten vor halb acht im Ersten läuft jeweils ein Spot über den Sender.

Die hier angebotene Bildkultur ist in der Regel proportional zur praktizierten politischen Kultur der Parteien und Bewegungen. Einzige Ausnahme - die Bürgerbewegungen „Demokratie jetzt“ und „Initiative Frieden und Menschenrechte“. Ihre Minutenbeiträge entbehren leider des sonst zumindest angedeuteten Gestaltungswillen. Beide bieten nur illustrierte Kurzreferate, womit sie zwar nicht auffallen im ähnlich ambitionierten TV-Reigen der Wahlbewerber, doch gerade vom Filmemacher Konrad Weiß wäre mehr Geschmack zu erwarten gewesen. Denn es geht wohl nicht darum, sich selbst ins Bild zu setzen (pardon, Herr Weiß stand ja!), sondern, die Ziele, das Programm oder auch den Charakter der Organisation durch eine schlüssig inszenierte Idee bekannt zu machen.

Nur wenigen ist das - den medienspezifizischen Potenzen des Fernsehens auch entsprechend _ gelungen. Für das „Wahlbündnis '90 - Bürger für Bürger“ rettet zumindest noch das „Neue Forum“ den Ruf der selbstbewußten, unangepaßten Bewegungen. Da sitzt also ein arg einsamer Mann und intoniert per Dudelsack die Nationalhymne der DDR. John Lennon weiß seinen Kummer zu deuten: „All you need is love“. Die aber bekommt der Mann weder von Volvo fahrenden ND -Lesern, noch von Mercedes-chauffierten „Welt„-Bürgern. Auf dem Fahrrad radelt schließlich das holde Glück doch noch vorbei.

Ebenfalls feuilletonistisch, aber in seiner Pointierung noch prägnantner, ist der kleine, wirklich geistreiche Film des Unabhängigen Frauenverbandes. Sherin Al-Khannak hat ihn produziert. Für den Wahlslogan „Alle unter einem Dach“ wurde eine Metapher gefunden, die gleichermaßen überraschend wie witzig ist. All jene, die sich bei ihrem Spot auf authentische Bilder verließen (viele setzten auf den Eindruck freudiger Mauerszenen), erfaßten weniger Wirklichkeit als dieses Sujet des UFV. Verbale Kommentierungen erübrigen sich.

Wortreich hingegen verkündet der DFD sein Anliegen: „Demokratische Frauen ... denken, diskutieren, deuten, drängen.“ Bleibt mindestens eine Frage: Was machen eigentlich undemokratische Frauen? Aber da die keinen Verband gründen, werden sie es sicher nie erfahren. Wenigstens erspart der DFD den ZuschauerInnen die Vorführung reicher West(polit)verwandtschaft. Die FDP-Ost - Vertreter im liberalen Bund - widmete die Schlußbilder des eigenen Tele-Porträts wie selbstverständlich Redeausschnitten der von ihnen so verehrten Freidemokraten Genscher und Lambsdorff. Den „Allianz„-Parteien und der SPD fiel gleichfalls nichts Besseres ein, als sich auf die Wirkung der lieben Patenonkel aus dem Nachbarland zu besinnen. Selbst wenn das DDR-Fernsehen erklärtermaßen keinen Einfluß auf Inhalte dieser Sendungen nimmt, müßte auch hier der Beschluß des Runden Tischs gelten: Der Wahlkampf wird ohne Auslandsbeteiligung geführt. Wie man sehen kann, ignorieren die Parteien der „weiten Mitte“ diese Entscheidung bei ihrer audiovisuellen Sympathiewerbung erneut.

Im übrigen übertreffen ihre Spots einander an langweiligen Schnittfolgen und alarmierend einfallsloser Wort-Bild -Gestaltung. Im Vergleich dazu zeigt sich die PDS geradezu originell. Sie fällt ob ihrer bündig erzählten Filmgeschichte auf. Am Ende der Visite bei der alten Macht (Honeckers Arbeitszimmer) wird die Tür in eine bunte, fröhliche Zukunft aufgestoßen. Ein Einwand: Sie wird kaum ein Kinderspiel sein...!

Lea Kramer