(Wahl-)Frontberichterstattung

Parteien gehen zu offenen Feldschlachten über  ■ L E S E R M E I N U N G E N

Der Kampf der verschiedenen Parteien geht in die heiße Phase, bei der es einem kalt den Buckel runterläuft. Eine Materialschlacht tobt. Ununterbrochen werden im Schutz der Dunkelheit Plakate und Zettel geleimt, und von nachfolgenden Partisanen des Gegners wieder abgerissen.

Häufig treten in letzter Zeit Parteien zu offenen Feldschlachten an. Marktplätze scheinen sich für die folgenden Scheingefechte am besten zu eignen. Dort kann man viel ziviles Volk zusammentreiben, um es mit Schreckschüssen auf den jeweiligen Gegner zu fixieren. Der jedoch fehlt dort in der Regel. Höchstens am Rande des Aufmarsches stehen einige Kundschafter und Saboteure. Landesweit wimmelt es von Überläufern und Doppelagenten. Dieselbe hektische Fluktuation unterm Fußvolk. Viel Bewegung also auf dem Feld der Ehre. Grenzen werden gesichert oder angegriffen, Enklaven erobert und wieder verloren. Alles noch relativ unblutig, von den blutjungen bis bereits mehrfach verwundeten alten Kriegern demokratischer Scheingefechte.

Auch äußerlich sind es nicht mehr dieselben Krieger wie am Anfang. Die eher zufällige Montur der ersten Tage ist längst eingemottet, in maßgeschneiderten Uniformen wird ausgezogen, denn das Volk hält nur zur Stange, wenn der Anzug der Vor und Verführer nicht vonderselben ist. Trotz eines weitgehend gewaltlosen Schlagabtausches gibt es besorgniserregende Verluste unter der Zivilbevölkerung zu beklagen. Die provisorischen Flüchtlingslager jenseits der Grenze sind überfüllt, psychologische Seuchen greifen um sich. Der Termin des Waffenstillstandes am 18. März wird zwar von allen Parteien akzeptiert, doch ob danach wirklich eine Feuerpause eintreten wird, scheint mir mehr als unsicher. Bereiten wir uns also auf einen langwierigen Stellungskrieg vor, der bei der Kopf- und Disziplinlosigkeit einiger Truppen wohl kaum durch Appelle an die Vernunft und Fairness in solchen Ausmaßen gehalten werden kann, wie man es aus anderen Krisengebieten kennt. Abrüstungsvorschläge wurden bisher von allen Parteien ignoriert. Ein hoffnungsvolles Zeichen kann der friedliebende Zivilist höchstens im Selbstauflösungsprozeß erkennen, der in einigen Truppen erfreuliche Ausmaße angenommen hat. Viele schmeißen ihre Flinte ins Korn und gehen nach Hause. Also, Politpazifisten aller Parteien, desertiert! Nur ein desertierter Soldat ist ein guter Soldat. Weg vom Runden - ran an den Stammtisch. Prost!

Uwe Meyer