Armeeballett kämpft ums Überleben

Schranke hoch, hieß es am 3. März in Biesdorf im Objekt des ehemaligen Erich-Weinert-Ensembles (EWE) der NVA. Ein neuer Name wurde gefunden - TAP, sprich Theater am Park, und für das Ballett: „Tanzforum Berlin“ - doch NVA blieb.

Nach den Jahren der Ensembleprogramme vorwiegend in Armeeobjekten oder zu politischen Großveranstaltungen sucht man nach einem Sinn, einer Existenzberechtigung des Ensembles. Für diese erste öfffentliche Vorstellung mit Eintritt ohne Passierschein und Bewachung hatte das Ballett und dessen Leitung wahrlich kämpfen müssen. Chor und Orchester werden mit eigenen Programmen folgen.

Schon lange vor der Wende genoß das Ballett des Erich -Weinert-Ensembles in Fachkreisen Anerkennung. So manche junge Absolventen der Ballettschulen gingen auch ohne Einberufung zu dieser Truppe, um die günstigen Bedingungen für die Vorbereitung auf Wettbewerbe - die vielen Preise bezeugen das - und für die persönliche Entwicklung zu nutzen.

Neben den bestellten Marschiertänzen war man bemüht, auch neue interessante Stücke entstehen zu lassen. Wer choreografieren wollte, der konnte. Die Resultate waren eine Art Sammelsurium von Tänzen verschiedenster Genres über Show, Klassik zu modernem Tanz und Tanztheater -für jeden etwas.

Ähnlich warb man nun bei der ersten öffentlichen Vorstellung um die Gunst des Publikums, das fast ausschließlich aus Fachleuten, Bekannten und Verwandten bestand. Die Frage in der anschließenden Diskussion nach einem künstlerischen Konzept war da sehr berechtigt. Hat die symphatische Gruppe doch nur dann eine Überlebenschance, wenn es ihr gelingt, sich in kurzer Zeit ein ganz eigenes Profil zu schaffen, wenn sie sich in der Kulturlandschaft Berlins unentbehrlich machen will.

Der Choreograf Holger Bey, bekannt für seine ausgefallenen Ideen, seine bitter-ironischen Bilder, der die interessantesten Beiträge des Abends lieferte, wäre bestimmt fähig, ein außergewöhnliches Tanztheaterprojekt oder einen notwendigen Skandal zu produzieren.

Eine weitere Zugehörigkeit zur NVA wird dabei zur Kernfrage. Und eine schleichende Auflösung beginnt bereits: Einige wirklich gute Tänzer haben sich ein Engagement am Theater gesucht und werden in wenigen Monaten das Theater verlassen. Furcht vor fehlender Perspektive im EWE, vor halbherzigen Schritten der Ensembleleitung bei der Öffnung des Objekts und deren künstlerischer Inkompetenz?

Man bedenke: Marzahn mit seiner kaum kulturell entwickelten Infrastruktur liegt um die Ecke und das gesamte Armeeobjekt bietet die besten räumlichen Bedingungen für ein Kulturzentrum mit Theater, Kino, Restaurant, Fitnesstudio, eigenem kleinen Filmstudio, Kindertanzgruppen, Aerobickurse... und einer experimentiellen Tanzkompanie. Hier sind Bürgerbewegungen und Parteien gefragt. Jetzt ist die Zeit, für solche Konzeptionen zu kämpfen - ehe es zu spät ist. Und auch die Ballettgruppe braucht Hilfe.

Heute abend findet um 20 Uhr deren zweite Vorstellung statt, im Theater am Park (1141, Frankenholzer Weg 4, mit der S-Bahn bis Biesdorf oder mit der U-Bahn bis Elsterwerdaer Platz). Karten vorhanden. Also dann: auf in's TAP!