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Eppelmann: „Schnur war und ist mein Freund“

Wie reagiert die Partei „Demokratischer Aufbruch“ auf die Nachricht, daß ihr Vorsitzender Wolfgang Schnur nach seinem „Ehrenwort nun doch eingeräumt hat, für die Staatssicherheit Berichte geschrieben zu haben? Journalisten strichen am Tag des von der Bonner CDU erzwungenen Rücktrittes durch die dritte Etage im Berliner Haus der Demokratie, die DA -MitarbeiterInnen spielen demonstrativ Gelassenheit. „Die Stimmung ist nicht gedrückt“, sagt eine Frau mit gequältem Lächeln. Noch einen Tag zuvor haben die Wahlkampf-Aktivisten Flugblätter gegen die „Stasi-Hetze gegen Schnur“ über alle Etagen im Hause geklebt. „Die Vorwürfe gegen Schnur entbehren jeder Grundlage“, stand da. Inzwschen sind diese Flugblätter abgerissen und überklebt mit Zetteln, die den DA als „ehrliche Alternative“ ausloben. Vorstandsmitglied Hans -Henning Harder trotzig in eine Fernsehkamera: „Ich schätze diesen Mann nach wie vor hoch ein.“ Kurz nach 19 Uhr endlich kommt Rainer Eppelmann ins Haus der Demokratie, 100 Journalisten warten schon lange auf die Pressekonferenz. Der stellvertretende DA-Vorsitzende Bernd Findeis erklärt, die Mitglieder des DA fühlten sich „doppelt betrogen“, einmal von Schnur und ein anderes Mal „von den früheren Machthabern“. Und dann redet er über die Affaire Schnur als „Zeitbombe gegen die Erneuerung der Gesellschaft“. Keine Regung von Zweifel an der eigenen Kampagne der vergangenen Tage. Eppelmann hat vom Eingeständnis seines „persönlichen und politischen Freundes“ Schnur am Mittwoch früh im Radio gehört, er erfährt von den Journalisten, daß die CDU in Bonn schon am Montag informiert wurde. Eppelmann betont, daß Schnur ihm „auch ein menschlicher Freund war und ist“. Mit „großer Betroffenheit“ habe er dessen Geständnis zur Kenntnis genommen: „Wir sind von einem Freund getäuscht worden“, gesteht er ein. Aber Eppelmann geht sofort zum taktischen Wahlkampf über und klagt an, „wozu Stasi und SED Menschen gebracht und gemacht haben“. Der Demokratische Aufbruch verdiene „um so mehr Vertrauen am Sonntag“, meint er. Daß trotz der eindeutigen Indizien die Affaire Schnur niht in der DDR aufgeklärt wurde, sondern daß der 'Spiegel‘ die journalistische Aufklärung leistete und die Bonner CDU dann die politische, wird Eppelmann nicht zum Problem dieser DDR-Demokratie. Im Gegenteil: Er geht davon aus, „daß die DDR-Bürger so sensibel (!!) und verständnisvoll sein werden, daß es uns nicht schadet“, sagt Eppelmann. Wird sich der Generalsekretär Wutzke, der der PDS alle Schuld zuschob, entschuldigen? Eppelmann will dazu nicht Stellung nehmen. Das „Ehrenwort“ des Vorsitzenden reichte ihm wie der Vorstands-Kollegin Kögler, die freimütig gestand, sie habe dann nicht mehr weiter nachgedacht. Auch Eppelmann bekennt sich auf die Frage, warum nach der 'Spiegel' -Veröffentlichung nicht genauer nachgefragt wurde, zu der „politischen Naivität“, der das „Wort eines Freundes mehr gilt als das Wort eines ehemaligen Mitarbeiters der Staatssicherheit“. Dürfen WählerInnen zu derart naiven Politikern Vertrauen haben? „Ich hoffe“, sagt Eppelmann, „daß ein menschliches Herz auch den Wähler anspricht“. Der Pfarrer hat für alles einen guten Spruch parat: „Wolfgang Schnur ist ein Mensch wie fast alle, mit Licht und Schatten.“

DA-Vize Findeis deutete an, daß Schnur aus dem DA ausgeschlossen wird, nachdem am vergangenen Sonntag der Parteitag ihm und seinem Ehrenwort zugejubelt hatte. Eppelmann, der sich für Schnurs Integrität verbürgt hat, soll neuer Vorsitzender werden. Auch für Findeis geht der Alltag der Parteiarbeit weiter: „Wir sind glücklich gewesen über die Solidaritätsadressen aus dem ganzen Land“, freute er sich am Mittwoch über die peinliche „Schmutzkampagne“ vom Dienstag. Auf den Wahlplakaten des DA hängt noch Schnurs Foto: „Damit Leistung sich wieder lohnt“.

K.W.

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