Die Wahlkarawane

■ Eine grün-lila Reise durch die aufgeregte Republik

Am Mittwoch fuhr unüberhör- und -sehbar die Wahlkarawane in der Hauptstadt ein. Einer der drei noch ohne Katalysatoren ausgestatteten Barkassen hatte auf seinem Dach eine aufblasbare Weltkugel geschnallt.

Elf Tage waren die unermüdlichen Wahlkämpferinnen in 22 Groß- und Kleinstädten der DDR unterwegs. Auf unserer Fahrt durch ökologische Krisengebiete und „frauenbewegte Ballungszentren“ wurde die Truppe mit den unterschiedlichsten Erfahrungen konfrontiert. Am schwersten war es im grenznahen südlichen Raum. In Halle offenbarten sich die ersten deutlichen Zeichen marktwirtschaftlicher Verhältnisse - ein mit ausschließlich westlichen LKWs und Transportern überfüllter Marktplatz ließ den drei Bündniswagen nur in der Mitte ein wenig Platz für Aktionen. Während um uns herum Palmen, Südfrüchte, Bier und Cola für DMark verkauft wurden, baute die Karawane ihre Tapeziertische auf, redete mit den Leuten über ihre Programme und Ziele, vermittelte Kontaktadressen für entstehende Basisgruppen. Doch zählen noch Argumente der Vernunft in einer Materialschlacht der Standardwerte westlicher Industriegesellschaften? Offenbar doch. Es kamen immer wieder Menschen mit Fragen und Hilferufen zur Grün -Lila-Karawane.

Auf dem harten Pflaster Eisenach, das für sich zukünftig den Ruhm in Anspruch nehmen darf, den ersten Tchibo-Laden der DDR eröffnet zu haben, gab es offenen Streit: Warum sind die Leute von der Karawane gegen die sofortige Wiedervereinigung? Der DDR kann doch nur die schnelle DMark helfen.

Doch hilft sie längerfristig wirklich über die ökologischen Katastrophen hinweg, kann und will sie ein Sozialnetz, das z.B. weiterhin die ökonomische Unabhängigkeit vor allem der Frauen, die kostenlose medizinische Betreuung, die Kindereinrichtungen, Babyjahr usw. garantiert?

Während des zweistündigen Aufenthalts auf dem Marktplatz schaute auch Herr Kirchner - CDU-Vorsitzender - mal vorbei, wurden die Fahnen des Landes Thüringen und der CDU gehißt, parkte neben uns ein nette Bus vom Demokratischen Aufbruch, aus dem als Wahlhelfer hell gekleidete, smarte Jungunternehmer stiegen. Endstation der Tour war das heimatliche Berlin.

Ines Koenen