: Nach Schnur nun die CDU
Der CDU-Generalsekretär Martin Kirchner, soll hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi gewesen sein ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) - Nach dem Spitzenkandidaten des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang Schnur, ist nun auch ein führender Politiker der CDU in den dringenden Verdacht der Stasi -Tätigkeit geraten. CDU-Generalsekretär Martin Kirchner, seit 1986 Mitglied des evangelisch-lutherischen Landeskirchenrates Thüringen, soll bis vor kurzem hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi gewesen sein. Gestützt wird dieser Verdacht von einem ehemaligen hohen Stasi -Offizier, der sich dem bundesrepublikanischen Verfassungsschutz angedient und dabei umfangreiches Material über seine frühere Tätigkeit vorgelegt hat.
Zu diesen Unterlagen, die der Stasi-Mann den westdeutschen Geheimdiensten schon Ende Januar präsentierte, gehört auch eine Liste mit Namen von 23 früheren Stasi-Informanten, die heute als Spitzenpolitiker verschiedener Parteien tätig sind. Ein Name auf der Liste lautete Wolfgang Schnur, ein anderer Martin Kirchner. Wer die anderen sind, darf man nur rätseln. Der Verfasser dieser geheimen Liste, der ehemalige Stasi-Offizier, befindet sich nach Informationen der taz, derzeit immer noch in der Obhut westdeuscher Geheimdienste, was dafür spricht, daß man ihn als eine sehr hochrangige und wichtige „Quelle“ einschätzt.
Nachdem sich der Verdacht gegen ihn am Freitag erhärtete, hatte CDU-Generalsekretär Kirchner zugegeben, im Zuge seiner kirchlichen Tätigkeit mehrfach „Kontaktgespräche“ mit der Stasi geführt zu haben. Er sei aber nicht Mitarbeiter der Stasi gewesen und habe im Gegensatz zu Wolfgang Schnur den Schnüffeldienst auch nicht mit Informationen versorgt.
Nach Informationen der taz berichtet der ehemalige hohe Stasi-Offizier, der die Liste mit den 23 Namen vorgelegt hat, jedoch etwas ganz anderes: Kirchner war nicht nur gelegentlicher Gesprächspartner der Stasi, sondern bis vor kurzem deren hauptamtlicher Mitarbeiter.
Gestützt wird dieser Verdacht auch von der Regierungskomission zur Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Erfurt. Mitglieder des Komittees erklärten am Samstag abend gegenüber dem hessischen Regionalfernsehen, daß in ihrem Bezirk Spitzenkandidaten verschiedener Parteien Mitarbeiter der Stasi gewesen seien. Sie hätten entsprechende Informationen eigentlich am Freitag öffentlich machen wollen, seien dann jedoch politisch so unter Druck gesetzt worden, daß sie davon Abstand genommen hätten. Einerseits unterlägen diese Angaben über Personen der Schweigepflicht, andererseits habe man es auch nicht für klug gehalten, nur aus einem einzigen Bezirk der DDR die Namen von prominenten Politikern, die für die Stasi gearbeitet haben, zu enthüllen.
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