Mal wieder Vollkorn im Kino

■ Zwei Tips für Film-Kost in Westberlin abseits vom Ku'damm / „Butterbrot“ im Kino „Graffiti“ - Nie wieder von Frauen abhängig sein? / „Wedding“ im „Alhambra“ und „Neuen Cinema“ - Stimmiges Bild einer lost generation

Mittwochs ist in Westberlin Kinotag. Ob erste Reihe oder Rang, jede Karte kostet 6 DM. Wen es nicht in die Hollywood -Comic-Strips a la „Leviathan“ oder „Ghostbusters“ zieht, wer „Rosenkrieg“ und „Geboren am 4. Juli“ schon zur Berlinale gesehen hat, sollte sich durchaus mal abseits vom Ku'damm nach Kino-Kost umsehen.

Im „Graffiti“ läuft derzeit „Butterbrot“, eine vorzügliche Boulevard-Komödie um das ewige Spiel zwischen Mann und Frau. Idee und Drehbuch stammen von dem Wiener Schauspieler Gabriel Barylli, der sein gleichnamiges, 1987 uraufgeführtes Theaterstück jetzt auch für den Film inszeniert hat.

„Nur Männer wissen, was Männer vereint.“ (Zitat aus „Müllers Büro“) - Nie wieder von Frauen abhängig zu sein, ist auch die Devise dreier beziehungs-geschädigter Freunde, die sich fortan in einer Villa gegen die Verführungen des schönen Geschlechts verschanzt halten. Aber natürlich kommt alles ganz anders, spielen doch die Frauen nicht so einfach mit.

In Martins Leben tritt Maria, die dem verschworenen Junggesellen gehörig den Kopf verdreht, und Peter kann partout nicht die Gedanken an seine eben verlassene Lilly verdrängen. Ruhepol im Strudel der Gefühle ist Stefan, der alle Träume von einem Weib lange begraben zu haben scheint und sich hinter seiner Lieblingsphilosophie „Frauen können gar nicht denken, und wenn, dann denken sie nur uns zuliebe“ versteckt.

„Butterbrot“ ist eine Konversationskomödie, die trotz der vielen Worte nie langweilig wird. Barylli versteht es glänzend, die feine Balance zwischen subtilem Humor und deftiger Klamotte zu halten. So ernst er die verkappte Sehnsucht seines Trios nach Gefühlen und Geborgenheit behandelt, so respektlos nimmt er dessen Wehleidigkeit und männliche Nabelschau auf die Schippe. Klischees sind beabsichtigt, werden aber, wenn allzu dick aufgetragen, mittels unerwarteter Wendungen der Handlungen gebrochen.

Der Film kennt nur einen Schauplatz: die Villa. Daß er dennoch durchgehend spannend und locker bleibt, ist der professionellen Inszenierung und den drei Darstellern zu danken, die im Zuge des Geschehens mit kleinen Kabinettstückchen brillieren dürfen.

Neben Gabriel Barylli (Martin und Heinz Hönig (Peter) ist in „Butterbrot“ wieder Uwe Ocksenknecht zu sehen, einer der „Männer“ von Doris Dörrie. Mit hinreißendem Charme und sympathischen Lakonismus spielt er Stefan, der mit Schürze und Kochlöffel den Liebesleidenschaften seiner Kumpel entgegenzutreten sucht. Aber selbst mit Curryhuhn gelingt es ihm nicht, deren Nervenkostüm zu glätten. Das Leben ruft nach „Butterbrot“!

„Ich liebe den Wedding, er erinnert mich noch immer an das Berlin, in das ich 1974 kam. ... hier finde ich, wie am Prenzlauer Berg, immer noch ein Stück Berlin und eine besondere Form der Berliner Sprache...“ (Heiko Schier, Regisseur des Films „Wedding“ - derzeit im „Alhambra“ und im „Neuen Cinema“ in der Zeitschrift „tip“).

Sulle, Markus und Susanne gehörten mit sechzehn zur gleichen Clique. Zwischen toten S-Bahn-Gleisen und Mauer war ihr Refugium eine alte Lagerhalle. Hier hatten sie rumgeklönt, sich verliebt, Pläne geschmiedet und die Kindheit begraben. Nach fünf Jahren treffen sich die drei dort zufällig wieder. Susanne, die immer zum Fernsehen wollte, arbeitet im Möbelhaus und wird von ihrem krankhaft eifersüchtigen Mann traktiert, Sulle fährt nicht zur See, sondern jobt als Hilfsarbeiter, und Markus ist statt beim Gericht bei der Polente gelandet.

Heiko Schiers erster Kinofilm „Wedding“ gibt das Lebensgefühl junger Leute wieder, die ihre hochfliegenden Ideale nicht aufgeben wollen, selbst wenn ihnen der Alltag zäh an den Füßen klebt. In ihrer Resignation steckt der kleine Funken Hoffnung, es doch irgendwie zu packen. Einen Tag und eine Nacht lang durchleben die drei, in schicksalhafter Verstrickung aneinander gefesselt, Momente von Geborgenheit, Zärtlichkeit und Freundschaft.

Vergilbten Fotos gleich, tauchen Erinnerungen auf, werden Jugendträume wieder wach. Die zurechtgebogenen Biografien erscheinen - von den kleinen Lebenslügen begradigt - viel zu kurz. Eigentlich ist nichts passiert, und doch ist alles anders.

„Wedding“, mit niedrigem Budget im Berliner Norden gedreht, ist ein dichtes, atmosphärisch stimmiges Bild eines Bezirkes und seiner „lost generation“. Mag die Fabel in ihrer fatalen Zuspitzung noch so konstruiert erscheinen, der Streifen besticht in seiner Authentizität, sowohl des Miliaus als auch der Protagonisten. Da ist nichts von neckischer Berlin -Tümelei und „Icke-dette-kieke-mal„-Mentalität.

„Butterbrot“ und „Wedding“ sind zwei Produktionen für Kino -Liebhaber, die das schwabblige Fast-Food satthaben und mal wieder Vollkorn genießen wollen.

Frank Junghänel