Britische Arithmetik: 2+4 1+4

■ Abschied vom Traum der größten DDR der Welt

Spätestens seit 46 % der wahlberechtigten DDR-Bürger gegen den weiteren Fortbestand einer souveränen DDR entschieden haben, dürfte der Öffentlichkeit im In- und Ausland endgültig klar sein, daß wir uns vom schönen Traum der größten DDR der Welt verabschieden mußten. Ein Streiflicht der dahinter gelegenen politischen Landschaft wurde anläßlich einer privaten Routineanfrage nach einem außenpolitischen Bulletin über die britische Position hinsichtlich der 2+4-Verhandlungen zur deutschen Einheit sichtbar. Herr Morton von der Presseabteilung der britischen Botschaft in Berlin, der die Anfrage negativ beschied, fühlte sich verpflichtet, der Bittstellerin aus diesem Anlaß seine Gedanken zur Relevanz der DDR und speziell der Medien dieses immer noch existierenden Landes zu unterbreiten.

Herr Morton erklärte, daß das Foreign Office ihrer Majestät eine Konzentration seiner Aktivitäten hinsichtlich der 2+4 -Verhandlungen auf Bonn, also am Sitz der Regierung nur eines der beiden deutschen Staaten als völlig zureichend betrachte. Durch die Wiedervereinigungswahl in der DDR sei die Zweckmäßigkeit dieses Herangehens unterstrichen worden. Auch halte er angesichts der jüngsten Entwicklung in beiden deutschen Staaten Informationen an für DDR-Medien tätige Personen für nicht sehr opportun, denn die Bedeutung der DDR -Zeitungen und sonstigen -Medien könne zunehmend vernachlässigt werden. Das habe sich nicht zuletzt mit der Rolle des Deutschen Fernsehfunks in der Wahlnacht bestäigt. Journalisten und sonstigen Leuten mit Ambitionen für die DDR -Medien könne er nur raten, sich möglichst schnell in die BRD-Konkurrenz einzureihen, um den Sinn ihres Dienstes an der Öffentlichkeit zu bewahren. Solchen in Bonn akkreditierten Journalisten können dann auch Verlautbarungen der Regierungspolitik des Vereinigten Königreiches zugänglich gemacht werden. - Abgang des Herrn Morton.

Morton hätte die Anfrage kommentarlos ablehnen oder zu erklären brauchen, daß sich die britische Botschaft (aus Sparsamkeitsgründen?) nicht mit der Information interessierter Individuen aus der DDR zu Fragen der britischen Außenpolitik befaßt. Herr Morton zog es jedoch vor, im längeren Exkurs zu begründen, daß sich britische Diplomaten künftig mit den wenigen, sich zusätzlich an die BRD anschließenden Bundesländern lieber aus Bonn heraus beschäftigen möchten. Hat Herr Morton die Verhandlungen zu Fragen der Einheit Deutschlands, an denen sich Großbritannien als ehemalige Siegermacht beteiligt, für sich schon in „1+4-Gespräche“ umbenannt? Wie verträgt sich das mit den letzthindoch immer wieder aus London zu vernehmenden Äußerungen, daß der Prozeß der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht überhastet durchgeführt werden dürfe und die Interessen der europäischen Partner unbedingt zu berücksichtigen seien?

Marion Fischer