„Oderwelle“ im Zeit-Strudel

■ Regionalsender Frankfurt / Oder recht unauffällig im Mediengetöse / Seit Februar West-Werbung für weniger DM als „drüben“ / Sender will zu den „öffentlich-rechtlichen“ zählen, ist aber bisher ohne Staatsvertrag

Trotz der Revolutions- und Wahlstürme plätschert der Regionalsender Frankfurt (Oder) recht gleichmäßig und unauffällig im Mediengetöse dahin. Der Bezirk und die Stadt liegen am Rande des (Deutsch)Landes - auf dem Wege hierher strandet manches und die Wogen glätten sich. Erst der im Sommer zu erwartende Groß-Berliner Touristenstrom an die Seen und in die märkischen Wälder wird Land und Leute so richtig aufwühlen. Dem trägt dann auch die „Oderwelle“ Rechnung: Verkehrsservice, Umweltalarmdurchsagen, Ausflugstips und Einkaufsrouten gelangen gleichzeitig über SFB, RIAS, 100,6 sowie die drei Regionalsender Potsdam, Frankfurt und Cottbus an den Hörer.

Wo bleibt da Eigenständigkeit?

Zwei Eigenheiten besitzt das Team in Frankfurts Wildenbruchstraße auf jeden Fall - die Musik der „Oderländer“ klingt subaltern, von Trends und Hits merkt der Hörer kaum etwas. Ja, das melodische Bild gleicht einem ruhenden See, dem der Zustrom frischen Wassers fehlt. Gleiches gilt auch für das coole Mundwasser-Prickeln der Moderation. So liegen Pep und Pfiff der „Oderwelle“ eher darin, Wellenbrecher zu sein, nicht Wellen zu schlagen. Man mag nicht glauben, daß „elf 99„-Moderator Steffen Twardowski hier vor drei Jahren seinen Medieneinstieg vollzog.

Freilich änderte sich in den letzten Wochen einiges, leider nicht alles zum Guten. Seit Ende Februar gibt's Werbung im Frankfurter Sendelaufplan - fünfmal drei Minuten am Tag. Bis dato fast ausschließlich Westwerbung (bis auf Cooperation -Werbung von Robotron und Conrad sowie ein wenig Image -Kosmetik des örtlichen Halbleiterwerkes). Im täglichen Gleichklang eine weitere monotone Durststrecke im Programm.

Die Frankfurter können sich die Werbung nicht aussuchen, denn sie kommt aus Berlin, wird dort produziert und zusammengestellt. Der Preis für diesen „Kultur-Quell“? Absolutes dumping. Denn im Schnitt liegen die Einnahmen pro Sekunde um 40 Prozent unter denen westdeutscher Stationen.

Die „Radio marketing GmbH“ des Hörfunks der DDR verwaltet die Werbegeschäfte zentral in Berlin. Also etliche Prozente für diese Agentur, der Rest läuft auf ein noch nicht verfügbares Konto. Da ist es schon eine nennenswerte Strömung, wenn Journalisten die Werbezukunft des Senders ohne jegliche Rechtsgrundlagen engagiert selbst betreiben. Sie suchen sowohl DDR- als auch BRD-Partner für die kostbare, jedoch zur Zeit zu billige, Werbezeit anzuheuern.

Bezahlt wird in der jeweiligen Währung. 35 Mark pro aufgenommener, und dann nochmal 30 Mark pro gesendeter Minute. Jetzt oder nie!

Eine zweite Route der Einnahmen steuerte eigentlich auf die Partnerstädte im Westen zu: Heilbronn, Saarlouis, Reinheim, ... So bot sich z.B. der Klett-Verlag in Stuttgart, Privatsponsor von Stadtradio Heilbronn und weiterer sechs Stationen, an, hilfreich beim „Rudern“ zu sein. Man gab Sturmwarnung vor Springer, Bertelsmann & Co. Zu Recht! Um selbst ins Boot einzusteigen...

In Berlin riß man das Ruder doch herum: zukünftige Öffentlich-rechtliche Anstalten dürfen keine Sponsor- bzw. Privatverträge abschließen. Zum Glück.

Der Sender Frankfurt (Oder) will zu diesen „Öffentlich -rechtlichen“ zählen, ist jedoch bisher ohne Staatsvertrag, ohne Einkünfte aus der Kommune. Dafür immer noch am Tau und im Schlepp der Berliner Nalepastraße. Was noch wichtig für's Auf-dem-Wasser-bleiben ist. Wenn die „Oderwelle“ zukünftig nicht in den Bankrott-Strudel geraten und untergehen will, muß ein selbstbewußtes und offensives Programm die beste Werbung sein. Schließlich entscheidet die Einschaltquote über „in“ oder „out“. Und ernsthafte mediensoziologische Untersuchungen stehen noch aus und bevor. „In Berlin heißt es: 10 Prozent Einschaltquote für die „Oderwellen„ -Mannschaft.

Ein Wert, der Anstalten gleichkommt wie dem SFB, die sich aber im Frequenzmeer mehrer Anbieter über Wasser halten müssen. Daher: Welle oder toter See, Leben oder Sterben!

Die Entscheidung muß fallen, noch bevor der erste Privatfunk kommt.

Eliot Anders