Wider den Weißbierernst...

■ Wo man singt und spielt, da laß dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder - In diesem Sinne tutet und bläst Berlins ulkigste „Kurkapelle“ wider den politischen Bierernst unserer Zeit

Auf die Wohltat des Possen-Reißens verstehen sie sich, aufs musikalische Spiel mit der Heiterkeit, die hilft, über'n eig'nen Schmerz hinwegzukommen, der derzeit links sitzt, wo das Herz ist.

Blasmusik der „Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot“, da kommt so etwas wie Wahlkampfaschermittwoch-Stimmung auf. Narrenjammertag. Und Blasblech, Flöte, Trommel, dreistfrech in Gang gesetzt von den jungen Musikern, helfen, Illusionen zu entblättern. Sie flicken einen Teppich aus Liedern, bürsten einst so pathetisch vorgetragene Noten gegen den Strich. Solche, die früher gern gesungen, dann eher gesungen werden mußten und die deshalb heute keiner gesungen haben will. „Brüder zur Sonne, zur Freiheit...“. Dann doch lieber einen Lambada. Die „Kurkapelle“, respektlos, macht aus dem einen das andere. Vielleicht braucht man gerade eine gehörige Portion Ironie, um Vergangenheit zu bewältigen und Gegenwart zu ertragen. Aber das gelingt eben nur Possenspielern so richtig. Weil sie drüberstehen, überm politischen Weißbierbürgerernst. Da sage einer, Blasmusik kenne keine Nuancen und ersäuft ja doch meist im Bier. Vielleicht weiter südwärts, nicht in Berlin. Bei den „Bolschewisten“ kitzelt sich das Blechbläser-Tremolo zu einem Ohr hinein und zum anderen hinaus. Und macht zwischendurch Widerhäkchen fest. Ach, in den Augen der Satire wird die Welt so durchsichtig. Und vielleicht wollte und konnte die abgeschlagene SPD alles, nur dies nicht vertragen, am Abend ihrer Wahlkampffete im Saalbau Friedrichshain? Zwar war die „Kurkapelle“ dafür engagiert, aber als ihr „bolschewistischer“ Namenszug und ihr bisheriges Repertoire bekannt wurden, lud man sie rasch wieder aus.

Allen Grund also, sich heute abend 20 Uhr in der Humboldt -Uni zur studentischen „Völkerfete“ seinen Wahlschmerz „wegblasen“ zu lassen.

Ingeborg Ruthe