SPD zu Gesprächen mit CDU und DA bereit

■ Koalitionsstrategie wird erst nach den Informationsgesprächenbeschlossen /DSU soll weiter draußen bleiben /Ansonsten „konstruktive Opposition“

Der SPD war in der letzten, heißen Phase des Wahlkampfes wohl das eh ein wenig wächserne Profil eingeschmolzen, so daß sie nun just nach der enttäuschenden Wahl erstmal trotzig das „soziale Gewissen“ in der Opposition plazierte. Am gestrigen Donnerstag wankte die Widersätzlichkeit schon etwas in Richtung Koalition. Der frisch gewählte stellvertretende Fraktionsvorsitzende Richard Schröder erklärte die SPD zu unverzüglichen „Informationsgesprächen“ mit CDU und DA bereit. Diese Erkundungen sollten diejenigen Informationen erbringen, auf Grund derer die Fraktion dann über ihre mögliche Koalitionsstrategie entscheiden könne. Ein Gesprächsangebot für die DSU gäbe es nicht.

Daß die Koalitionsabsage nicht das letzte Wort gewesen sein konnte, mußte ahnen, wer sich einmal das Gruppenbild der Oppositionellen in der neuen Volkskammer vor Augen hielt. Schwer vorstellbar, wie eine noch sehr jüngliche SPD neben den poststalinistischen Vatermördern der PDS und den Jetzt -erst-recht-Bürgerbewegten von Bündnis und Grün/Lila sowie allerlei Splitterkämpfern den Weg in die deutsche Einheit aussteuern würde. Ob sie einen solchen Balanceakt zwischen radikal verfassungsänderndem Einheitsbewußtsein und abwägender Sozialgestaltung in der Parlamentsarbeit aushielte, ist überaus fragwürdig. Die Gefahr, über den Versuch einer „konstruktiven Opposition“ zwischen Allianz/Liberalen-Regierung und Anti-Beitrittsopposition zerrieben zu werden, scheint offensichtlich.

Die Koalitionsabsage also nur Verhandlungstaktik? Fast scheint es so. SPD-Vorsitzender Böhme hielt es denn bereits am Mittwochabend für möglich, daß die Fraktion der Empfehlung des Parteirats zur Koalitionsverweigerung nicht folgen werde. Seine Stellvertreterin wußte überdies von Berührungsängsten eines Teils der Fraktionsmitglieder gegenüber der gleichfalls opponierenden PDS zu berichten. Wenn sich die Allianz zugunsten einer großen Koalition nun der DSU-Regierungsbeteiligung enthielte, wäre der für die SPD erlösende Weg in die Macht geebnet. Denn diese hatte auch nach der Wahl unter Verweis auf eine relative Eigenständigkeit bei der Vereinigung das Zusammengehen mit der unbegrenzt CSU-hörigen Deutschen Sozialen Union kategorisch abgelehnt.

Allerdings dürfte die SPD auch in der Regierungsverantwortung von Beklemmungen nicht frei sein. Bei dem anstehenden Bundestagswahlkampf in der BRD, der zudem in eine Zeit fällt, wo die ersten sozialen Wirkungen der frisch eingespritzten Marktwirtschaft in der DDR durchschlagen, wäre eine Mitverantwortlichkeit der Ost -SPD für die anstürmende West-SPD fatal. Noch klingt des Bundeskanzlers Hohn über unpopuläre Verstrickungen („sie waren doch mit diesen Herren verbrüdert“) den Bonner Sozialdemokraten in den Ohren.

Diesmal wollen sie auf der Seite der Betroffenen bleiben. Die Offensive des Kanzlerkandidaten Oscar Lafontaine gegen die soziale Heuchelei der christliberalen Vereiniger dürfte bei einer „Mitverantwortung“ der Ost-SPD allerdings einiges an Schlagkraft einbüßen. Stefan Schwar