: SPD will den Weg in die Koalition sondieren
■ Konrad Elmer, Vorstandsmitglied der Sozialdemokraten, befürwortet ernsthafte Sondierungsgespräche mit der CDU
taz: Der SPD-Fraktion scheint die Erklärung zum Koalitionsangebot der CDU sehr viel schwerer gefallen zu sein als dem Vorstand am Montag?
Konrad Elmer: Die Fraktion hätte wohl am Montag, einen Tag nach der Wahl eine ähnlich schnelle Entscheidung getroffen. Der Vorstand stand da unter dem unmittelbaren Eindruck vieler Telegramme vor allem aus dem Süden, in denen es hieß: „Wir lösen uns auf, wenn ihr mit denen in die Regierung geht.“ Auch die Mitglieder des Vorstandes haben heute in der Fraktion differenziertere Positionen vorgebracht, als das am Montag schon möglich war.
Das hört sich doch so an, als sei die SPD auf dem Weg in die Koalition?
Wenn man die schroffere Erklärung vom Montag nimmt, dann ist die heutige Erklärung natürlich ein Schritt in diese Richtung. Der Montagsbeschluß war zu einseitig von den emotionalen Hintergründen bestimmt.
Was macht denn den Fraktionsbeschluß differenzierter?
Ich sehe eine sehr viel stärkere Akzentuierung der Sondierungsgespräche mit der CDU. Die am Montag ins Auge gefaßten Gespräche waren in erster Linie ein Angebot, die demokratischen Gepflogenheiten einzuhalten. Wir wollen jetzt ernsthaft ausloten, ob Koalitionsverhandlungen mit der CDU ein sinnvolles Unternehmen sein können.
Diese Sondierungsgespräche müßten dann auch Aufschluß über die Bereitschaft der CDU geben, die DSU nicht in die Regierung aufzunehmen?
Genau so würde ich das sehen.
Die Aussage „Regierungsbeteiligung nur ohne die DSU“ steht?
Absolut.
Neben der Frage einer Beteiligung der DSU scheint es kaum prinzipielle Differenzen mit der CDU zu geben.
Das käme auf die Definition des Prinzipiellen an. Dann geht es um die Inhalte einer zukünftigen Regierungsarbeit. Da wäre doch manche schwere Hürde zu nehmen, falls es zu einem positiven Ergebnis kommen soll. Wir brauchen ein verändertes Grundgesetz zum Beispiel, um unser liberaleres Schwangerschaftsabbruchsgesetz beibehalten zu können. Da müßte etwa der Passus „Recht auf Leben“ neuformuliert werden z.B. in der Richtung „Recht auf geborenes Leben„; sonst würde später über den Weg von Verfassungsklagen ein liberaleres Gesetz zurückgenommen werden müssen. Darauf wollen wir nicht eingehen.
Dann wird sicher die Bodenrechtsfrage eine entscheidende Hürde werden. Wie läßt sich eine Lösung finden, die unsere Menschen nicht benachteiligt. Hier wird sich dann auch die Hauptfrage stellen, inwieweit die CDU bereit ist, gegenüber Herrn Kohl eine eigenständige Politik mitzutragen.
Schließlich legen wir großen Wert darauf, daß die Mitbestimmung verfassungsmäßig stärker verankert wird, bis hin zu einer paritätischen Mitbestimmung in den Großbetrieben.
Beteiligung an der Regierung bedeutet Mitverantwortung für die unkalkulierbaren sozialen Folgekosten der Einigung und damit fast zwangsläufig Stärkung der PDS in der Opposition. Umgekehrt bedeutet die Oppositionsrolle für die SPD fast zwangsläufig die Umarmung durch die PDS, die ja an ihrer Kooperationsbereitschaft keinen Zweifel läßt.
Letzteres hat keine herausragende Rolle bei unsere bisherigen Entscheidungsfindung gespielt. Wir werden nicht umhin kommen, wenn es um die Änderung der Verfassung im Zuge der Herstellung der Einheit geht, dies mitzutragen. Wir können und wollen es uns nicht leisten, als Bremser des Einigungsprozesses - na ja, Bremser vielleicht schon - als Verhinderer des Einigungsprozeßes aufzutreten. Dahin würden wir uns manövrieren, wenn wir uns verweigern. Da wir also sowieso hier mitmachen müssen, sage ich mir: es ist politisch klüger, für das Mitmachen auch etwas auszuhandeln für die Menschen in diesem Land. Deswegen ist es sinnvoll, auszuloten, ob man nicht in Koalitionsverhandlungen - wenn es dazu kommt - genau dies tun kann. Wir wollen ein ernsthaftes Mitgestaltungsrecht aushandeln und nicht bloß ein Oppositionsrecht, mit dem wir dann doch keinen ernsthaften Einfluß haben werden. Die Verantwortung für unsere Bevölkerung legt es mir nahe, nicht rigoros zu sagen: „Koalition kommt nicht in Frage.“
Eine Regierungsbeteiligung der SPD hätte ja auch für den Wahlkampf im Bundesgebiet erhebliche Konsequenzen. Lafontaine müßte die CDU in Bonn attakieren, während die SPD in der Hauptstadt der DDR mit ihr in der Regierung sitzt. Welche Rolle spielt diese Überlegung bei der Entsheidungsfindung über die Regierungsbeteiligung?
Das hat bislang überhaupt keine Rolle gespielt.
Interview: Matthias Geis
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