Aufruf zum Warnstreik

■ Unternehmensfusion von Staatlicher- und Allianz-Versicherung beschlossen / Mitarbeiter protestieren gegen Entscheidung der Generaldirektion

Berlin - (taz) Am Donnerstag sollte nun endgültig versucht werden, die Unklarheiten bei den Beteiligten über die geplante Gründung der Deutschen Versicherungs AG zum 1. Mai auszuräumen. In einem Brief wurde die Generaldirektion schon am Montag von der Belegschaft der Kreisdirektion Mitte aufgefordert, endlich Stellung zu nehmen zu den Verhandlungen mit der Allianz-Versicherung. Zu dem Treffen mit der Generaldirektion brachten die Kreisdirektoren einen Teil ihrer beunruhigten Mitarbeiter mit, so daß 150 Angestellte auf Erklärungen warteten.

Eines der wichtigsten Ziele für die Generaldirektion sei die Erhaltung der Arbeitsplätze von 13.000 Mitarbeitern im Innendienst und 35.000 Vertretern im Außendienst. Deshalb hatte man sich für eine Unternehmensfusion mit der Allianz -Versicherung entschieden. Abgesehen davon, daß die Belegschaft an keiner dieser Entscheidungen bisher beteiligt war, scheint vielen Betroffenen auch nicht einzuleuchten, wie das realisiert werden soll bei den angekündigten Rationalisierungsmaßnahmen und der zu erwartenden know-how -Welle. Gestern haben sich die Mitarbeiter der Kreisdirektion Weißensee doch dazu entschlossen, ihre Kollegen zu einem Warnstreik am nächsten Dienstag aufzurufen.

Von dem viel beschworenen Konsens von Generaldirektion und Belegschaft - so hieß es auf der Pressekonferenz vom stellvertretenden Generaldirekor Dr. Ullrich - scheint also nicht viel übrig zu sein. Die Behauptung, daß die Staatliche Versicherung durch den Zusammenschluß mit einer der größten Versicherungsgesellschaften Europas auf ihre bisherige Monopolstellung verzichtet, läßt sich ebenso wenig halten. Oder wie soll man ein Unternehmen mit einem Marktanteil von fast 100 Prozent bezeichnen? Sobald das Niederlassungsrecht in der DDR eingeräumt wird, würden sich auch andere Versicherungsgesellschaften hier auf den Markt begeben, meinte Dr. Ullrich. Doch mit einem schon bestehenden Unternehmensmonopol läßt es sich schwer konkurrieren. Hans Schreiber, Vorstandsvorsitzender der Mannheimer Versicherung, sah sicher auch seine Felle wegschwimmen, als er davon sprach, daß man, also die Deutsche Versicherungs AG, mit dem in der DDR vorhandenen Vertriebssystem auch über das Informationsmonopol verfügen würde.

Im übrigen setzten sich die Verhandlungspartner auch über das Kartellamt hinweg, das solche Elefantenhochzeiten nach dem bundesdeutschen Kartellgesetz eigentlich als geschäftsschädigend verurteilen müßte. Hinzu kommt, daß es sich natürlich mit einem rechtsfreien Raum im Rücken gut verhandeln läßt. Der nicht nur in diesem Fall übergangene Präsident des Bundeskartellamtes, Wolfgang Kartte, warnte gestern erst im 'Handelsblatt‘ vor Wettbewerbsverzerrungen und Monopolisierungstendenzen im Zuge der Vereinigung.

Die neue Gesellschaft übernimmt 30 Millionen Verträge und Fortsetzung auf Seite 2

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rund 7,5 Milliarden Mark Prämien. Die Allianz wird mit Investitionen in Milliardenhöhe in dem Geschäft einsteigen. Genaue Zahlen über die Kapitalhöhe wollten Dr. Ullrich und Dr. Haasen, Vorstandmitglied der Allianz AG am Dienstag nicht nennen, schließlich handele es sich bisher nur um einen Vorvertrag, wobei die Details noch ausgehandelt werden müssen.

Wie die neuen Konditionen aussehen, ob sich die Prämien für die Versicherten erhöhen werden, welche Folgen der Zusammenschluß für die Mitarbeiter bringen wird - niemand kann darüber Auskunft geben. Dr. Ullrich erklärt die Notwendigkeit der Unternehmensgründung außer mit Sicherung der Arbeitsplätze, mit der Erhaltung Konkurrenzfähigkeit der Staatlichen Versicherung und neue Produkte, besserer Service und eine moderne Infrastruktur für Mitarbeiter und Kunden soll aufgebaut werden. Dazu ist die Allianz genau der richtige Partner.

Anja Baum