Umlagert sind nur die West-Autos

■ Auf dem Gebrauchtwagenmarkt in Potsdam stürzen die Preise für Trabis und andere Ost-Autos ins Bodenlose / Westdeutsche Schrottmühlen erzielen dagegen Höchstpreise / Ostberliner Autobastler verdienen am West-Auto-Boom mit

Jeden Tag liest Karl Winter Nachrichten, die ihm nicht gefallen. Er hat seit sechs Jahren einen Trabi, den hegte und pflegte er, und jetzt soll er nichts mehr wert sein. Noch vor wenigen Monaten betrug die durchschnittliche Wartezeit für einen fabrikneuen Wagen 14 Jahre, jetzt könnte man Trabis aus dem Schaufenster heraus mitnehmen, denn keiner will sie mehr. Die Absatzflaute für Neuwagen hat auch den Gebrauchtwagenmarkt für „Made in GDR„-Wagen ruiniert.

Karl Winter kann ein Lied davon singen. Seit sechs Wochen steht der liebevoll geputzte Wagen auf dem „Platz der Nation“ in Potsdam, und noch nicht ein einziges Angebot steckte hinter der Windschutzscheibe. Dabei wurde der Wagen Woche für Woche billiger angeboten. Begonnen hatte der Verkaufsversuch mit einem Preiswunsch von 9.000 Mark Ost plus 200 Mark West, jetzt, nach etlichen Preisstürzen, hat er das Angebot auf 2.000 Mark Ost oder 500 Mark West eingefroren. Noch bis Ostern will er den unbekannten Interessenten das Sonderangebot ermöglichen, ab dann wird er in den sauren Apfel beißen und seinen Traum, ein West-Auto anzuzahlen, vorerst begraben.

So wie Karl Winter geht es vielen, nicht nur Trabi -Besitzern. Der Parkplatz in Potsdam, wenige hundert Meter vom Schloßpark Sanssouci entfernt, ist zugestellt mit Gebrauchtwagen aller Arten und Jahrgänge. Wartburgs und Ladas, brandneu und uralt, stehen neben Volkswagen und Opel -Mantas mit bundesrepublikanischen Kennzeichen. Nach Dienstschluß am frühen Abend herrscht dort täglich reges Treiben. Umlagert sind allerdings nur die West-Autos, und deren Besitzer sind auf Schnäppchen aus. Da steht zum Beispiel ein Mercedes Diesel, Jahrgang 1981, die Rauchspuren oberhalb des Auspuffs verraten, daß es mit der Kompression hapert. Der Besitzer, ein Westberliner Student, behauptet steif und fest, daß die Tachoanzeige 147.000 km mit erstem Motor korrekt, der Verhandlungspreis von 7.500 Westmark daher gerechtfertigt ist. Das finden offensichtlich auch die Interessenten, die Freundin des Studenten führt eine Warteliste für Probefahrten. Beide sind überzeugt, daß der Wagen noch am Abend verkauft werden wird.

Es hat sich in der bundesdeutschen Szene herumgesprochen, daß an keinem Ort Westdeutschlands Gebrauchtwagen so günstig zu verkaufen sind wie in der DDR. In Potsdam stehen Personenwagen mit Kasseler Kennzeichen neben Campingmobilen aus Bayern und Baden-Württemberg. Die wenigsten Autos haben eine TÜV-Plakette bis 1991. Unter 2.000 Mark West ist nichts zu haben, ersatzweise nimmt der Ford- Taunus Besitzer aus Bochum auch 10.000 Mark Ost. „Warum auch nicht, Ostern verbringe ich in Thüringen. So fix wird es mit der Währungsunion nichts werden.“

Das hoffen auch andere. Unter die privaten West-Anbieter mischen sich in letzter Zeit zunehmend mehr halblegal arbeitende Kleinstunternehmer, die in Westberliner Hinterhofwerkstätten Schrottwagen optisch aufmöbeln und sie in Potsdam an Bastler verkaufen. Werkzeug und Ersatzteile sind im Preis inbegriffen, Schweißgeräte können tageweise gemietet werden. Insbesondere die Potsdamer Alternativszene schielt auf diese Offerten. Jens gehört dazu. Er hat in der NVA Lastwagen gewartet, dort Improvisationstalent und Know -how gelernt. Vergangene Woche hat er für rund 4.000 Westmark sein drittes Uraltauto gekauft, einen Citroen CX -Break, eine Rarität, wie er meint. Den Wagen hat er zusammen mit einem Kollegen aus der Armee in einer Weddinger Werkstatt TÜV-fertig geschweißt, jetzt steht er in Potsdam und wartet auf einen neuen Besitzer.

Stolze 50.000 Ostmark soll er kosten, auf dem schwarzen Markt umgerubelt sind das rund 10.000 Westmark. Er hofft, daß die Währungsunion noch auf sich warten läßt, denn „wer will jetzt Ostmark ausgeben, wenn bald 1:1 getauscht werden kann“. Für alle Fälle hat Jens jetzt in Potsdam eine Gewerbeerlaubnis für eine Kfz-Werkstatt beantragt. Die wird er bekommen, hat man ihm gesagt. Es fehlen nur noch die Räume.

aku