Ronnys Gedächtnis total im Eimer

Im letzten Iran-Contra-Prozeß wurde die Zeugenaussage eines senilen Ex-Präsidenten auf Video vorgespielt  ■  Aus Washington Rolf Paasch

„I don't remember; weiß ich nicht mehr. Kommt mir irgendwie bekannt vor, aber an den Namen kann ich mich nicht erinnern. Der Vorsitzende meiner Stabschefs soll das gewesen sein? Sorry folks, diese Rede, hab‘ ich wohl total vergessen.“ Ein Ex-Präsident im Zustand der totalen Amnesie. Genau 124mal in der achtstündigen Videoaufzeichnung seiner Zeugenaussage zur Rolle des Nationalen Sicherheitsberaters John Poindexter im Iran-Contra-Skandal kann sich Ronald Reagan nicht mehr erinnern. Wer für die illegale Finanzierung der Contra -Aktivitäten in Nicaragua durch die heimlichen Waffenverkäufe an die Ajatollahs im Iran 1985/86 letztlich verantwortlich war, bleibt damit auch weiterhin juristisch ungeklärt.

Fast zeitgleich mit den Juroren des Poindexter-Prozesses im Washingtoner Gerichtssaal konnte sich Amerika den debilen Schatten seines Ex-Präsidenten jetzt auch stundenlang in der Glotze anschauen. Das ging ans Herz. Traurig hockte er da vornübergebeugt in seinem Zeugenstuhl, hilflos wie ein Westernheld ohne Colt oder ein TV-Evangelist ohne Bibel. Vergessen die Zeiten, als Amerika diesen Gaukler des „Wir -sind-immer-noch-wer“ abgöttisch liebte. Beinahe entsetzt wendet sich die US-Öffentlichkeit in diesen Tagen von jenem Mann ab, dessen charmant-kriminellen Führungsqualitäten sie gestern noch bewundert hatte. Es waren die Anwälte seines ehemaligen Sicherheitsberaters Poindexter gewesen, die den 79jährigen noch einmal vor Gerichtgezerrt hatten. Zur Entlastung ihres Mandanten spielten die Verteidiger Poindexters dem Gericht in Washington nun die vor Wochen in Reagans Wohnort Los Angeles auf Videobändern festgehaltene Zeugenvernahme vor. Denn dem einstigen Sicherheitsberater droht wegen Verschwörung und Falschaussage vor dem Contra -Ausschuß des Kongresses noch eine Freiheitsstrafe.

Da ist es mit der Loyalität für den ehemaligen Boß endgültig vorbei. Wie Nationalheld und Contra-Impresario Oliver North vor ihm versucht nun auch John Poindexter die Jury zu überzeugen, er habe sich damals nur im Auftrage des Präsidenten vom Staatsbeamten zum Waffendealer gemausert. Das beliebte Spiel der Iran-Contra-Affäre, immer demjenigen die Verantwortung für illegale Waffendeals zuzuweisen, der gerade nicht auf der Anklagebank sitzt, geht weiter.

Ganz gleich, ob Poindexter am Ende seines Prozesses zu einer Haftstrafe, zu ein bißchen Sozialarbeit wie Kollege North oder gar zur Freiheit verurteilt wird - an der systematischen Nicht-Aufdeckung von Irangate durch eine skandalmüde Allianz aus Rechtsprechung, Politik und Medien wird dies nichts mehr ändern. Die Amnesie Reagans in Sachen Irangate dürfte jedenfalls nach dessen Fernsehauftritt nun endgültig auch die gesamte Nation erfaßt haben. Irangate? Nie gehört. Ronald Reagan? Wer war das nochmal? Poindexter? War das nicht der Quarterback der Denver Broncos?