Eine Konkurrentin für Ministerpräsident Hans Modrow

Die Ärztin Sabine Bergmann-Pohl (CDU) kandidiert für den Vorsitz der neuen Volkskammer / Praktizierendes Kirchenmitglied und Karrierefrau  ■ P O R T R A I T

Offiziell vorgeschlagen wurde sie vorgestern von ihrer Fraktion, morgen wird sie aller Voraussicht nach zur ersten Präsidentin der neuen DDR-Volkskammer gewählt: die 43jährige Lungenärztin Sabine Bergmann-Pohl, die für den Berliner Landesverband der CDU für die Volkskammer kandidierte. Auf der Liste der CDU hatte sie bereits einen prominenten Platz besetzt, sie rangierte auf Platz 2 gleich nach dem Vorsitzenden Lothar de Maiziere. Schon von dieser Nominierung zeigte sich die resolute und selbstbewußte Ärztin überrascht, noch überraschter ist sie jetzt über die große Mehrheit in ihrer Fraktion, die ihre Kandidatur für das Amt befürwortet. „Ich bin so überrascht, ich kann es kaum glauben“, so Frau Bergmann-Pohl gestern gegenüber der taz, aber da sei ja schließlich noch der Gegenkandidat, der noch amtierende Ministerpräsident Hans Modrow, und der habe doch auch gute Chancen. Freude und auch Stolz über die Nominierung sind ihr anzuhören, aber auch die Unsicherheit, nun in die ganz große Politik zu gehen und zumindest vorerst den Beruf aufgeben zu müssen. Und der spielt für sie eine ganz wichtige Rolle.

Sabine Bergmann-Pohl ist Fachärztin für Lungenkrankheiten und leitet zur Zeit eine Bezirksstelle des Ostberliner Magistrats in der Wilhelm-Pieck-Straße im Bezirk Mitte, in der Lungenkranke beraten und behandelt werden. Die gebürtige Berlinerin, die heute in Weißensee lebt, studierte bis 1972 an der Humboldt-Universität Medizin und absolvierte dann eine Facharztausbildung. 1980 wurde sie zum „Leiter“ einer poliklinischen Abteilung für Lungenkrankheiten der Charite ernannt, seit 1985 leitet sie die Bezirksstelle des Magistrats und ist „Chef“ von 24 Ärzten. Im Berliner Landesverband der CDU zählt sie zu den jüngsten Mitgliedern. 1981 begann ihre Karriere als Politikerin. Weil „in der DDR so vieles im argen lag“, trat sie in die CDU ein. Die SED kam für sie als „praktizierendes Kirchenmitglied“ nicht in Frage. Vom Bezirk über den Landesvorstand zum Volkskammermitglied wurde sie als eine der wenigen Frauen in der Ost-CDU nach oben katapultiert. Ihr Fachgebiet ist eng mit dem Beruf verbunden, sie engagiert sich im Bereich Gesundheitspolitik und will sich besonders für Frauen stark machen. Es gebe doch viele soziale Errungenschaften der Frauen in der DDR in einem vereinten Deutschland zu retten, Frauen hätten ein unbedingtes Recht auf Arbeit. Die Unterschiede zu SPD-Positionen seien gar nicht groß, räumte sie ein.

Immer noch ein bißchen unvorstellbar ist es für sie, den Beruf nun aufgeben zu müssen, denn für den wird als Parlamentspräsidentin kaum Zeit bleiben. „Aber schließlich habe ich es in der Vergangenheit geschafft, mehrere Dinge unter einen Hut zu bringen, hoffentlich klappt es auch in Zukunft“. Es sei ja auch eine Übergangszeit, wer wisse schon, wie lange das alles dauert. Und doch hat sie auch schon Geschmack an dem hohen Amt gefunden: „Das wäre doch schön, wenn ich dann mit Frau Süssmuth zusammen ein gesamtdeutsches Parlament leiten würde“.

Kordula Doerfler