piwik no script img

Roma-Flüchtlinge vor der Abschiebepolizei versteckt

■ „Roma und Sinti Union“ will breite Öffentlichkeit gegen Ausweisung von Flüchtlingsfamilien aus Südjugoslawien / Bremen gegen Bleiberecht

Die Aktion war generalstabsmä ßig vorbereitet: Morgens um fünf sollten am vergangenen Freitag Kripo-Beamte acht Flüchtlingsfamilien aus ihren Bremerhavener Betten holen. Noch am gleichen Vormittag sollten die knapp 50 Überrumpelten dann mit einem extra bereitgestellten Flugzeug von Bremen aus in Richtung Jugoslawien abheben. Von dort waren sie zusammen mit rund 140 weiteren Familien des Roma-Volkes im Sommer 1988 nach Bremerhaven geflüchtet.

Doch die Abschiebe-Aktion wurde noch am Nachmittag zuvor von Oberbürgermeister Willms persönlich wieder abgeblasen (vgl. taz vom 3.4.). Gerüchte über den Coup waren durchgesickert, und die Polizei fürchtete große Presseaufmerksamkeit und Gegenaktionen. Vorsorglich gingen

die Roma-Familien trotzdem erstmal auf Tauchstation. Ihre Wohnungen wurden inzwischen amtlich versiegelt und das zurückgelassene Eigentum beschlagnahmt.

Geht es nach den Vorstellungen der Hamburger „Roma und Sinti Union“ (RSU), dann werden sich die untergetauchten Flüchtlinge jedoch schon bald zusammen mit 27 weiteren Roma -Familien, deren Asylanträge vom Verwaltungsgericht noch nicht endgültig abgewiesen worden sind, wieder an die Öffentlichkeit wagen. „Wir bereiten geeignete Aktionen und Maßnahmen vor“, teilte der RSU-Vorsitzende Rudko Kawzcynski gestern in Bremerhaven mit. Möglich sei zum Beispiel die Verlängerung des nordrhein-westfälischen „Bettelmarsches“ mit 2.000 bis

3.000 Roma bis vors Bremerhavener Rathaus. „Wir haben die Familien gut versteckt“, versicherte Kawzcynski. Käme es jetzt zur Abschiebung, dann nichtmehr „klammheimlich morgens um fünf“, sondern „unter den Augen einer großen Öffentlichkeit“.

Der RSU-Vorsitzende weiß, wovon er redet. Erst im vergangenen Herbst hatten Hamburger Roma mit der Besetzung des ehemaligen KZ-Geländes erfolgreich gegen ihre Abschiebung protestiert. Mit entsprechenden Aktionen in Bremerhaven könnte die RSU einen Strich durch die Rechnung des Oberbürgermeisters machen. Der war nämlich davon ausgegangen, daß die Roma-Familien auch ohne die große Abschiebe-Aktion aus seiner Stadt fliehen würden, wenn erstmal ihr legaler Aufenthalt und da

mit das Anrecht auf Sozialhilfe wegfällt. Petition als letztes Mittel

Wirtschaftliche Not war es schließlich, die die Roma -Familien 1988 zur Flucht aus ihrer Heimat im Süden Jugoslawiens veranlaßt hatte. Zwischen den Fronten des Nationalitätenkonfliktes der Serben und Albaner hatten die Roma jede Existenzmöglichkeit verloren. So ertrugen sie lieber die offene Ablehnung, auf die ihre Flucht in Bremerhaven von Anfang an stieß. Weder die „Auszahlung“ eines Teils ihrer Sozialhilfe in Form von ungenießbarem Plastikschalen-Essen noch die endgültige Ablehnung ihrer Asylanträge vor dem Verwaltungsgericht konnte sie dazu bewegen, der neuen Heimat wieder den Rücken zu kehren. Als letztes Mittel richteten die Familien Ende vergangenen Jahres eine Petition an den Bremerhavener Magistrat.

Der fand ihre Not zwar „menschlich verständlich“, urteilte dann aber: „Es kann nicht Aufgabe des deutschen Staates sein, anstelle des Heimatstaates für den Lebensunterhalt ihrer Staatsangehörigen zu sorgen.“ Außerdem komme sowieso „der Verdacht auf“, daß die Roma mit der Einreichung von Petitionen nur das Asylrecht „aushöhlen“ wollten. Die Argumentation hatten die Bremerhavener Stadtväter beim Bremer Innensenator abgeschrieben (vgl. nebenstehenden Kasten). Grüner für Abschiebung

Als Vertreter der Grünen hatte auch der Anwalt Peter Pletz für die Ablehnung der Petition gestimmt. Das brachte ihm inzwischen eine Rüge seiner Fraktionskollegen ein, die sich noch gut an den Partei-Krach erinnern konnten, den es 1988 gab, als einige Bremerhavener Grüne die gerade eingetroffenen Roma-Flüchtlinge am liebsten sofort wieder nach Jugoslawien zurückschicken wollten.

Inzwischen hatten sich die Fa

milien in Bremerhavene aber einigermaßen eingelebt. Die Kinder sind zur Schule gegangen und haben Deutsch gelernt. Damit ist es nun vorbei. „Die werden in die Illegalität getrieben“, beklagt der Pressesprecher des Bremerhavener Magistrats, Volker Heigenmoser. Die Ursache dafür sieht er jedoch nicht bei der Abschiebe-Polizei, sondern bei der Hamburger Roma und Sinti Union: „Es besteht die Gefahr, daß die Roma-Familien von der Organisation intrumentalisiert werden.“

Dirk Asendorpf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen