Abrißbagger in Bremer Künstlerkolonie

■ Verwertungsgesellschaft plant Abrißsanierung in der Feldstraße / Mieter bereits gekündigt / Initiative für Erhalt gegründet

Manchmal muß man nur durch eine unscheinbare Glastür mit gesprungenen Scheiben gehen, und schon steht man mitten in der Großstadt in einer kleinen Idylle. In der Feldstraße im Bremer Steintor-Viertel liegt so ein Plätzchen: Ein kleiner Hinterhof mit dem Charme ein bißchen verwunschener, ein bißchen baufälliger Häuschen, Kopfsteinpflaster, Bäume, welkes Laub. Ein paar Bremer Künstler haben sich hier eingerichtet. Aus einer alten Kesselhalle wurde ein großes Atelier mit lichten Glasgiebeln. In den

kleinen Knusper-Hinterhof Häuschen wohnen MusikerInnen, TänzerInnen. Billig und mit Blick auf Bäume.

Noch. Am Dienstag erhielten die Bewohner der Feldstraße 13a, 13b, 13c und 15 die Kündigung zum 31. Juli 1990. Auch wenn der Absenderin, die Hanseatische Kapitalvermittlungs -GmbH (HKV), sich jede Begründung verkniff - die Anwohner wissen auch so Bescheid: Die Vorderhäuser 13 und 15 sollen komplett abgerissen, die Hinterhofhäuser von Grund auf modernisiert und

saniert werden. 16 Eigentums wohnungen will die HKV an die Stelle der kleinen Künstlerkolonie setzen und an finanzkräftige Anleger verkaufen. Schon im Oktober sollen die Abrißbagger kommen, wie HKV-Chef Volker Boelsen der taz gestern bestätigte.

Genau das wollen die Anwohner verhindern. Unmittelbar nachdem ein Bekannter Boelsens, der Bremer Immobilienbesitzer Helmut Hubrich, in Boelsens Auftrag bei einer Anwohnerversammlung über die Sanierungs

pläne informiert hatte, gründeten sie eine Bürgerinitiative gegen den Abriß. Über 1.000 NachbarInnen haben gegen die drohende Radikalkur unterschrieben. Auch Ortsamtsleiter Hucky Heck und der Beirat haben sich solidarisiert.

Hubrich, der als Eigentümer des Kneipen-Viertels „Auf den Höfen“ selbst gerade Erfahrung mit der Entmietung seines Privateigentums sammelt, gibt den Anwohnern dennoch wenig Chancen: „1.000 Unterschriften kriege ich auch für alles mögliche zusammen.“ In guten Schuhen fühlt sich auch Eigentümer und Kapitalverwerter Volker Boelsen. „Proteste werden den Mietern sowieso nichts nützen.“

Boelsen weiß, wovon er spricht. Seit sieben Jahren ist sein Unternehmen spezialisiert auf den Aufkauf und die anschließende Sanierung von Altbauten. Neben der HKV unterhält Boelsen noch ein ganzes Mini-Imperium im Bremer Immobiliengeschäft. Unter den Firmen-Etiketten HBI und AVT kümmert sich Boelsen z.B. auch um Hausverwaltungen, Wohnungsverkauf und - in Zusammenarbeit mit der Bremer Architektin Barbara Cunis - um Bauplanung. Boelsens Empfehlung an die Feldstraßenbewohner: „Statt zu protestieren, sollten die lieber vernünftige Kompromisse akzeptieren.“ Sein Angebot: „Wenn möglich, können die bisherigen Bewohner ja nach der Sanierung wieder einziehen.“ Zu „marktüblichen Mieten“, versteht sich.

Marktüblich sind 12 bis 14 Mark je Quadratmeter. Bislang zahlen die Mieter 8 bis 9. Bernd Müller-Pflug, Maler und Mieter im Hinterhaus Nr. 13.: „Bei solchen Preisen wird keiner hier wieder einziehen können.“

Freiwillig ausziehen will denn auch nur einer der bisherigen Bewohner, nämlich ihr bisheriger Besitzer, Dr. Bernd-Jürgen Fischer. Für 1,3 Millionen verkaufte Fischer zum 1.4. den gesamten Komplex an die HKV. Seine Mieter, die gerüchteweise schon von den Verkaufsabsichten erfahren hatten, informierte Fischer seinerzeit per Rundschreiben von dem geglückten Deal. Darin heißt es u.a.: „Ich habe heute ... an eine Sanierungsgesellschaft verkauft, und zwar per 1.4.90. ... Ich bedaure, daß die Intervention einiger Naseweise, Frühmerker und Oberschlauer (gemeint ein Protestflugblatt der Mieter) mich dazu gezwungen hat, schließlich doch noch an einen Interessenten zu verkaufen, der eher für seine Neigung zu Totallösungen bekannt ist.“

K.S.