Stoltenberg und die Bonner Taucher-Loge halten sich gegenseitig im Amt

Der Minister muß die politische Verantwortung für den U-Boot-Skandal übernehmen  ■ K O M M E N T A R E

Es gehört einige Phantasie dazu, sich ein solches Bild vorzustellen: ein Bundesminister Stoltenberg, der von illegalen U-Boot-Exporten niemals etwas gehört haben will, umgeben von drei Staatssekretären, die allesamt in den Fall verwickelt sind. Die beiden Staatssekretäre Obert und Tietmeyer, so hat sich in der unendlichen Geschichte des U -Boot-Skandals inzwischen herauskristallisiert, waren aktiv mit der Vertuschung des Waffengeschäfts befaßt - das ist schlimm genug. Eine neue Qualität aber ist der jetzige Verdacht, Staatssekreträr Voss habe auch den kriminellen Waffenhandel aktiv entgegen Völkerrecht und Bundesgesetzen gefördert. Schlimmer noch: Der Strauß-Freund Voss hat dies noch betrieben, als die Ermittlungen gegen die Firmen bereits ein Jahr liefen.

Ein solches Szenario sich vorzustellen fällt schwer, und fraglich ist, ob ein Verlag einem Krimiautor eine solch plumpe Geschichte durchgehen lassen würde. Der müßte sich vermutlich die spitze Frage gefallen lassen, ob er immer noch an den militärisch-industriellen Komplex und monopolkapitalistische Strukturen glaube. Daß Stoltenberg, als Amtschef immer in enger Zusammenarbeit mit seinen Staatssekretären, nicht von dem kriminellen Handel gewußt hat und auch nicht weisungsgebend in die Verhinderung der notwendigen Strafverfolgung eingegriffen haben soll, ist schlicht unvorstellbar. Dies um so mehr, als Stoltenberg in seiner zwanzigjährigen Karriere als Bundesminister oder Ministerpräsident von Schleswig-Holstein immer als exzellenter Organisator gerühmt wurde, der seine Wirkungsstätten fest im Griff hatte. Nur im Fall des U-Boot -Geschäfts soll dies nicht der Fall gewesen sein?

Doch selbst wenn wir Minister Stoltenberg zugestehen würden, sein wahrer Name sei Hase und er wisse nichts, selbst dann stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung, die er als Minister zu übernehmen hätte. Wir erinnern uns an den Rücktritt des Berliner Justizsenators Baumann (FDP) im Jahre 1978, nachdem mehrere Mitglieder der Bewegung 2. Juni aus der Haftanstalt Moabit befreit wurden. Hatte Baumann - erst kurz im Amt - die Gitterstäbe durchgesägt? Nein, aber er übernahm die politische Verantwortung stellvertretend für seinen Apparat. Auch Bundeskanzler Brandt trat 1972 nach der Enttarnung Guillaumes nicht deshalb zurück, weil auch er ein Spion war.

Doch Gerhard Stoltenberg klebt an seinem Sessel. Auch wenn die Unionsfraktion und das Regierungslager nervös werden über die unablässige Folge der Enthüllungen und schweren Verdächtigungen - der alte Fuchs Stoltenberg weiß, daß er einige gute Argumente auf seiner Seite hat. Seit Anbeginn in das Geschäft eingeweiht, kennt der jetzige Verteidigungsminister die zahlreichen Komplizen in hohen Ämtern bis hinauf zum Bundeskanzler. Zu viele haben sich die Hände schmutzig gemacht an dem Deal, der die Parteikassen in zweistelliger Millionenhöhe auffüllen sollte, daß Stoltenberg sich jetzt überreden ließe, als Sündenbock für die erzürnte Öffentlichkeit zu dienen. So darf er seine Rolle weiterspielen, auch wenn die Lage immer brenzliger wird.

Doch Stoltenberg hat nicht nur auf dem politischen Parkett, sondern auch bei der Bewältigung von Skandalen vielfältige Erfahrung. Dumm stellen ist seine bevorzugte Waffe, bewies der damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident in der Barschel-Affäre: Jeder Pförtner in der Kieler CDU -Zentrale wußte angeblich mehr als Stoltenberg über die krummen Machenschaften, mußte man aus seiner Vernehmung schließen. Was für eine Art von Politiker Stoltenberg ist, hatte ja schon seinerzeit sein Zögling Barschel bewiesen. Nur auf das große Kieler Ehrenwort in zweiter Auflage wartet die Welt noch.

Gerd Nowakowski