Ein Ehrenmann packt aus

■ Alexander Schalk-Golodkowski, Stasi-Oberst und erster Devisenbeschaffer, als verhinderter Reformator der DDR

Berlin (taz) - Alle Welt sucht ihn, die 'Welt‘ hat ihn: Alexander Schalck-Golodkowski, über zwei Jahrzehnte die Graue Eminenz der DDR-Ökonomie und mittlerweile von den Organen der gewendeten DDR per internationalem Haftbefehl gesucht, kann einfach nicht mehr länger schweigen. Angesichts der „Verleumdungen“ und der Versuche, ihn zu kriminalisieren, habe er sein Versprechen, keine öffentlichen Detailaussagen zu machen, nicht länger halten können, beteuert er gegenüber 'Welt'-Chefredakteur Manfred Schell treuherzig.

Das als Weltsensation aufgemachte Interview bleibt auf der faktischen Seite indes recht dünn. Die Details, von denen Schalck eingangs redet, hat er offenbar doch kompetenteren Gesprächspartnern beim Bundesnachrichtendienst und CIA vorbehalten - in der Welt geht es vor allem um den Schalck, den so niemand kennt. Er, Alexander Schalck-Golodkowski, habe praktisch seit 1985 einer parteiinternen Widerstandsgruppe um Egon Krenz angehört, der es darum gegangen sei, die DDR nach dem sowjetischen Vorbild zu reformieren. Auf die Frage, warum man denn davon im Westen nie etwas gemerkt hat, warum die Gruppe in Ost-Berlin sich nicht einmal in Fragen kleinerer Korrekturen durchsetzen konnte, zuckt Schalck nur lakonisch mit den Schultern: „Die anderen hatten die Macht.“

Mittlerweile ist Schalck aber längst zu der Erkenntnis gekommen, es wäre eh vergebene Liebesmüh gewesen: das System war und ist nicht reformierbar. Der Kapitalismus ist einfach nicht zu schlagen. Das sei ihm eigentlich spätestens seit 1983 klar gewesen, da die DDR ab diesem Zeitraum am Rande der Zahlungsunfähigkeit dahinschrammte. Seine Aufgabe, die er übrigens ganz erfolgreich gemanagt habe, sei es gewesen, diesen Zusammenbruch zu verhindern. U.. auch mit dem Verkauf von Waffen an die Kriegsparteien Iran und Irak - aber da habe er sich ja in bester Gesellschaft bewegt. Eines der wenigen aufrichtigen Statements in dem Interview.

Persönliche Vorteile von seiner aufopferungsvollen Tätigkeit habe er genau besehen eigentlich nicht gehabt. Daß seine ständigen West-Aufenthalte zu einer anderen Wohnungseinrichtung als im DDR-Durchschnittshaushalt geführt hätten, sei schließlich völlig legal gewesen.

Ein Vorwurf mag aber auch die Graue Eminenz nicht von der Hand weisen. Die bevorzugte Versorgung der Promi-Siedlung Wandlitz sei tatsächlich seine Aufgabe gewesen. „Ich muß bekennen, daß ich mich hier der Parteidisziplin gebeugt habe und eben nicht die Kraft zu widersprechen hatte. Dafür entschuldige ich mich vor dem Volk.“ Ansonsten blickt Alexander optimistisch in die Zukunft: „Ich bin fest entschlossen, die Chancen, die sich heute massenhaft bieten, auch zu nutzen.“

JG