Im Eiltempo in die große Koalition

■ CDU erwägt, der SPD den Stuhl des Wirtschaftsministers abzutreten / Sozialdemokraten wollen das Ressort Arbeit und Soziales haben Bis zum 11. April soll die Regierung stehen / Arbeitsgruppen sollen Dissenspunkte ausloten / Zentrales Thema ist die deutsche Vereinigung

Ost-Berlin (taz/dpa) - Am 11.April soll das Kabinett der ersten frei gewählten DDR-Regierung stehen. Das gab CDU -Generalsekretär Kirchner gestern vor Beginn der zweiten Runde der Koalitionsverhandlungen bekannt. Am Abend sollten bereits Personalentscheidungen getroffen werden. Aller Voraussicht nach wird heute auf der konstituierenden Volkskammersitzung der CDU-Vorsitzende Lothar de Maiziere mit der Regierungsbildung beauftragt. Bei den an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Partnern bestand Einigkeit, daß de Maiziere Ministerpräsident wird.

Kirchner meinte bei der Gründung der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, es müsse überlegt werden - entgegen ursprünglichen Planungen bei den Christdemokraten - der SPD das Wirtschaftsministerium zu überlassen. Dazu Kirchner: „Es darf nicht der Ruf entstehen, die CDU sei die Partei des Kapitals.“ Zu den Wünschen der SPD, das Arbeits- und Sozialministerium zu übernehmen, meinte er, die CDU würde darauf zu achten haben, daß nicht der Eindruck entstehe, die SPD vertrete die soziale Gerechtigkeit, „während die CDU notgedrungen nachzieht.“

Als Zwischenergebnis der ersten Beratungen gaben die sieben, an den Verhandlungen beteiligten Parteien gestern die Einrichtung von fünf Arbeitsgruppen bekannt. Über die inhaltlichen Dissenspunkte wollten sich die Vertreter der Parteien nicht äußern. Die Themenkomplexe „Deutscher Einigungsprozeß“ und Regierungsbildung sollen in einer sogenannten „Hauptgruppe“ behandelt werden. Ihr gehören der SPD-Fraktionsvorsitzende Schröder, der Vorsitzende der Liberalen, Ortleb, CDU-Chef de Maiziere und der DA -Vorsitzende Eppelmann an. Für die DSU wird deren Generalsekretär Diestel die Verhandlungen begleiten. Für die heutige konstituierende Sitzung der Volkskammer haben sich die Parteien auf Verfassungsänderungen verständigt. Man war sich darin einig, daß das Amt des Staatsratsvorsitzenden zugunsten des eines Staatspräsidenten nach bundesdeutschem Vorbild abgeschafft werden soll. Symbolische Harmonie präsentierten Sozialdemokraten und DSU schon am Dienstag abend. Der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Schröder saß bei der Pressekonferenz neben DSU-Generalsekretär Diestel. Die Unterschiede zwischen den beiden Parteien müßten jetzt ausgelotet werden, meinte Diestel. Die SPD hat ihre ursprüngliche Wahlaussage, keine Koalition mit der DSU einzugehen, aufgeweicht. Der Fraktionsbeschluß, daß man nicht in Verhandlungen mit den Leipzigern eintreten solle, fand am Mittwoch keine Beachtung mehr. Der amtierende Parteivorsitzende Meckel interpretierte, die Fraktion müsse nicht über die Aufnahme der Verhandlungen befinden, sondern nur darüber, ob eine Koalition mit der DSU eingegangen wird.

bf