Jede Stimme hat ihren Preis

■ Schimon Peres, Chef der israelischen Arbeiterpartei, verfügt über absolute Knesset-Mehrheit Doch diese gründet sich weit weniger auf politischen Konsens denn auf Intrigen und Kuhhändel

Tel Aviv/Berlin (taz) - Nachdem am vergangenen Mittwoch Schimon Peres, Chef der Arbeiterpartei, erklärt hatte, eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Abgeordneten des israelischen Parlaments stünde hinter ihm, dürfte es nun trotz der eben begonnenen Parlamentsferien - zu einer Einberufung der Knesset kommen.

Strittig ist dabei nur noch der genaue Termin einer solchen Dringlichkeitssitzung. Der Parlamentsvorsitzende Schilanski muß nun entscheiden, ob er die Knesset zur Bestätigung einer Peres-Regierung für kommenden Sonntag oder aber erst für nächsten Mittwoch einberufen wird.

Peres ist deshalb an einem möglichst frühen Termin gelegen, weil offenbar auch Abtrünnige des rechtskonservativen Likudblocks - Spekulationen sprechen zumindest von Abraham Scharir, der für die „Bewegung zur Erneuerung des Zionismus“ ins Parlament eingerückt war - eine Regierung unter Peres unterstützen wollen.

Schamir, dem Peres das Transportministerium versprochen haben soll, ging vorsichtshalber auf Tauchstation. Seine vier Fraktionskollegen sind bis jetzt bereit, Schamir weiter zu unterstützen - gegen entsprechende Belohnung. Jeder längere Aufschub würde jetzt die Chancen des Likud vergrößern, die Fahnenflüchtigen, die sich Ministerposten in einer Peres-Regierung versprechen, wieder unter seine Fittiche zu nehmen.

Zusammensetzung und politisches Sachprogramm der Peres -Regierung sind jedoch gegenwärtig so vage, daß sich die Oppositiongruppierungen links von der Arbeiterpartei noch nicht definitiv für eine Regierungskoalition unter Peres entscheiden mochten.

Frau Schulamit Aloni, Knesset-Abgeordnete und Vorsitzende der Raz-Bürgerrechtspartei, äußerte ihre Skepsis nach einem Treffen mit Peres überdeutlich: „Wir sind keine rückgratlosen Kriechtiere. Die automatische Unterstützung einer Peres-Regierung unsererseits sollte nicht erwartet werden.“

In das gleiche Horn stieß auch Tufik Tubi, KP-Vertreter und ältestes Knesset-Mitglied. Mit einer Unterstützung durch die Demokratische Front (KP und Alliierte), so Tubi, könne Peres nur dann rechnen, wenn „seine Friedenspolitik ernsthaften Charakter“ zeige und er unmißverständlich „für eine Gleichberechtigung der israelischen Araber“ eintrete.

Peres beabsichtigte daher auch, sich am Donnerstag mit den linken Fraktionen, deren Unterstützung er zwar will, auf deren Eintritt in die Regierungskoalition er aber nicht unbedingt Wert legt, zu treffen.

Obwohl Peres jetzt über eine Knesset-Mehrheit verfügt, wird jede von ihm geführte Koalitionsregierung nur sehr locker im Sattel sitzen. Denn nach Ansicht prominenter israelischer Kommentatoren gründet sich jede mögliche Regierung gegenwärtig weit mehr auf profitable Kuhhändel und politische Intrigen denn auf redliche Überzeugungen.

Sarkastisch kommentierte die israelische Presse die Methoden der Mehrheitsbeschaffung: „Die Regierungsbildung wird zu einem Pokerspiel, bei dem alle Spielregeln gebrochen werden“, schrieb die Tageszeitung 'Jedioth Achronot‘.

Und schon das vorsichtigste Hüsteln eines parlamentarischen Hinterbänklers könnte Peres wieder aus dem Sattel pusten.

a.w./wasa