Vitaminmangel im Frühjahr

■ Frisches Gemüse finden Sie derzeit nur in der Tiefkühltruhe

Wen die frische Frühlingsluft derzeit vitaminhungrig in Bremens Gemüseläden treibt, dem droht Enttäuschung: So richtig knackig-leckeres Grünzeug liegt nicht in den Regalen. Dafür ist es einfach noch zu früh. Zwar kommt gerade der erste süddeutsche Spargel in die Läden. Doch der ist fast unbezahlbar teuer und qualitativ schlechter als der Spargel, den es zu Weihnachten für weniger Geld als Import aus Peru zu kaufen gab. Ansonsten bietet die deutsche Landwirtschaft noch nichts Frisches.

Nur im Treibhaus sind inzwischen Radieschen, Küchenkräuter, Kohlrabi, Spinat, Feldsalat und sogar Gurken herangereift. Am Geschmack dieser frühreifen

Gemüse läßt sich jedoch zweifeln. Und auch der Gesundheit ist es nicht unbedingt zuträglich. So stechen die Frühkartoffeln aus Zypern dank Überdüngung durch einen besonders hohen Nitratgehalt hervor. Deutlich besser präsentieren sich dagegen die eingemieteten Gemüse der letzten Saison auf der Zunge: Kartoffeln, Möhren, Steckrüben, Porree, rote Beete, Kopfkohl und Zwiebeln.

So rät denn die Verbraucherzentrale derzeit auch vom Frischgemüse ab: „Es ist einfach sinnvoller, auf Tiefgekühltes zurückzugreifen.“ Statt unökologischer Importe aus Israel oder von den Kanarischen Inseln rät die Verbraucherzentrale lieber zu Brok

koli, Spinat und Erbsen aus der Tiefkühltruhe. „Es gibt wohl frische Möhren aus Italien, aber die schmecken nach gar nichts“, weiß die Ernährungsberaterin.

Wer den Vitaminhaushalt mit eingelagertem Gemüse decken will, sollte jedoch auf die kleinen grünen Keime an Kartoffeln, Zwiebeln usw. achten. Fehlen sie, ist der Verdacht berechtigt, daß das Gemüse radioaktiv bestrahlt wurde. Und auch beim Griff in die Tiefkühltruhe sollten Fertiggerichte nach Möglichkeit vermieden werden: „Die sind oft zerkocht und versalzen“, sagt die Ernährungsberaterin.

Die Frühjahrs-Vitaminlücke versuchen zur Zeit vor allem holländische Züchter zu nutzen: mit Treibhaus-Tomaten und -Paprika zu Preisen über 10 Mark das Kilo und dem ewigen grünen Salat, der in vertikalen „Beeten“ direkt in die Plastikbeutel wächst.

Zu Zeiten, als es solche Wunder der Technik noch nicht gab, deckten die Bewohner Nordeuropas ihren Frühjahrs-Hunger nach Vitaminen vor allem mit frischen Kräutern: Petersilie und Schnittlauch, aber auch Sauerampfer und Löwenzahn. Wem das nicht schmeckt, der muß sich heutzutage an Rhabarber halten. Ihn gibt es - dank des warmen März - überall gut und reichlich. Und auch über die spanischen Erdbeeren freut sich der Gemüsehändler: Sie sind billig, lecker und zermatschen bei dem kühlen Wetter nicht so schnell wie die heimische Ernte.

Ase