„Wenn einen viele als Mörder ansehen“

■ Interview mit einem kurdischen Asylbewerber und Drogendealer, der unlängst aus dem Geschäft ausgestiegen ist

Ahmet X. (richtiger Name der Redaktion bekannt) ist ein Kurde, der über ein Jahr lang sein Geld mit dem Dealen von Heroin verdient hat. Nun wandte er sich an die taz. Sein Motiv: Die Deutschen sollen wissen, „daß die Kurden nicht gewollt in die Sache reingegangen sind.“

taz: Wie sind Sie Dealer geworden?

Ahmet X.: Ich bin seit drei Jahren hier, habe einen Asylantrag gestellt. Weil ich als Asylbewerber keine Arbeitserlaubnis bekomme, bin ich zwei Jahre lang auf eine Schule gegangen.

Die 320 Mark vom Sozialamt wa

ren mir zu wenig. Zwar haben mich Verwandte am Anfang unterstützt, aber ich habe im Monat 2.000 Mark ausgegeben. Die Wohnung mußte ich auf eigene Kosten renovieren, noch nicht mal eine richtige Lampe war drinnen. Mein Schuldenberg hat sich immer mehr erhöht.

Dann hatte ich keine Lust mehr, so weiterzuleben. Ich bin von der Schule weggegangen.

Ein Türke hat mir erzählt, daß man „damit“ Geld machen kann. Die erste Zeit hat mich der Türke ausgenutzt und mir den Stoff in gefährlichen Situationen gegeben. Dann habe ich ein Jahr lang selbständig gedealt.

Wieviel haben Sie verdient?

Kleine Dealer verdienen nicht viel.

Die Kolumbianer und die Italiener haben doch das große Geschäft in der Hand. Manchmal auch Jugoslawen. Dann kommen die Deutschen, die verkaufen an die Türken und als letzte kommen die Kurden. Wir werden am meisten ausgenutzt. Unser Ruf ist einfach weg, obwohl wir nicht das große Geschäft machen.

Wieviel haben Sie denn genau verdient, wenn Sie einer Abhängigen ihre Tagesration Heroin für 400 Mark verkauft haben?

Hundert Prozent.

Warum sind Sie aus Kurdistan weggegangen?

Ich konnte in der Türkei nicht bleiben. Ich hatte keine Möglichkeit mehr, da zu leben. Wir sind in Kurdistan wie unter Kolonialherrschaft. Unsere ganzen Bodenschätze werden abtransportiert. Es gibt keine Arbeit. Ausländische Soldaten können sich überall herumtreiben, wo sie wollen. Wenn irgendwo etwas passiert ist, macht das Militär das ganze Dorf nieder. Die Leute werden ausgeschimpft und gefoltert.

Was schätzen Sie, wieviel Prozent der Bremer Dealer sind Kurden?

Ungefähr 300 Dealer gibt es ins

gesamt in Bremen. Davon sind zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent Kurden. Das sind diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen geflohen sind. Die politischen Kurden würden so etwas nie machen.

Warum haben Sie aufgehört?

Die Sache ist für mich Scheiße. Wenn ich die Fixer auf der Straße gesehen habe, in welcher Verfassung sie sind, wurde mir schlecht. Ich habe mich als Mörder gefühlt. Die Leute, die das verkaufen, sind fertig. Sie werfen sich in die Gefahr und stecken sowieso bis zum Hals drin.

Und wenn das die Familie in der Heimat mitbekommt, daß ihr

Sohn im Gefängnis sitzt, weil er Drogen verkauft hat, wollen sie vielleicht nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und man verliert seine Freunde, kapselt sich ab. Man schämt sich, wenn man das öffentlich auf der Straße verkauft und einen viele Menschen als Mörder ansehen.

70 Prozent der Kurden sind dabei aufzuhören. Ich rede öfter mit denen über die Sache. Wenn die etwas Geld verdient haben, lassen die das.

Ich kenne ein paar Leute, die mit dem Geld den Führerschein gemacht haben, die sich dafür noch ein Auto gekauft haben und jetzt nicht mehr weitermachen.

Interview: Barbara Debus