Wettlauf um den Städtepartner Saßnitz

■ Cuxhaven hat Bremerhaven ausgestochen / Bremerhavener Oberbürgermeister: „Offensichtlich gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung“

Bürgermeister reisen nicht nur gern, viele von ihnen machen es sogar am liebsten in der Arbeitszeit. Üben sie sich bei diesen Dienstreisen statt in kleinstädtischen Kleckerthemen mal in weltmännischen Gesten, dann kann es sich nur um eine Städtepartnerschaft handeln. Wer wäre schon im heißen deutsch-deutschen Herbst des Jahres 1989 nicht gerne im Herz des Geschehens gewesen. Auch die Bürgermeister der Seestädte Bremerhaven und Cuxhaven trieb es hinaus ins andere deutsche Land und auf die Suche nach einem Städtepartner.

Nun stehen sich Cuxhaven und Bremerhaven in schlechtnachbarlicher Konkurrenz schon an der Nordsee feindlich genug gegenüber. Kein Wunder also, daß das Bremer und das niedersächsische Fishtown auch an der Ostsee aneinandergeraten mußten. Dort suchten beide nämlich nach dem Städtepartner und trafen in Saßnitz aufeinander.

Cuxhaven hatte schon vor zwei Jahren ein Auge auf den Fährhafen an der Ostküste des schönen Rügen geworfen. Doch dank Mauer und SED-Zentralismus war es bis zum 9. November bei der Idee geblieben. Bremerhavens Bürgermeister erhielt dafür wenige Tage nach dem Maurfall vom 9.11. einen Brief. Der Chefarzt des Saßnitzer Krankenhauses bat um medizinische Hilfe. Er wurde eingeladen, und durfte mit Hilfe des Rathauses an der Weser den Kofferraum seines Trabbis mit Bandagen, Spritzen und ande

rem nützlichen Krankenhaus instrumentarium füllen.

Soviel Hilfsbereitschaft machte Cuxhavens Stadtoberhaupt mißtrauisch. Und als Bremerhavens OB Karl Willms Anfang März dann persönlich in Saßnitz eintraf und mit Bürgermeister, Betriebsdirektoren und Oppositionsvertretern des „Runden Tisches“ städtepartnerschaftliche Kontakte knüpfte, war es mit Cuxhavens Geduld vorbei.

„Das war ein unschöner Wettlauf“, gesteht im nachhinein der Cuxhavener Stadtrechts-Rat Konradi. Immerhin scheint seine Stadt das Rennen gewonnen zu haben. Am Donnerstag soll der Partnerschaftsvertrag in Saßnitz abgeschlossen worden sein. Doch Genaues wird im Westen erst zu erfahren sein, wenn die sechsköpfige Cuxhavener Delegation am Wochenende zurück ist. Der Versuch eines Telefongespräches in den 400 Kilometer entfernten Ostseehafen führt zu nichts als wunden Fingern und einem tut-tut-tut-Ohrwurm.

Abgehängt und ausgetrickst grollt Bremerhaven. „In Cuxhaven gibt es offensichtlich Politiker, die Bremerhaven unsittliche Angebote an Saßnitz unterstellen“, beklagt Oberbürgermeister Karl Willms jetzt die Ungerechtigkeit der Welt, ein freundliches Geschenk ans Krankenhaus als Korruptionsversuch zu werten. Schließlich sei allein Cuxhaven beim Liebeswerben um den Städtepartner unsittlich geworden. Entgegen eines Votums des Run

den Tisches habe es sich nämlich einfach den „alten Herrschern in Saßnitz“ an den Hals geworfen. Den Partnerschaftsvertrag habe der Saßnitzer Bürgermeister Lange (SED, heute PDS) und seine noch immer PDS-dominierte Stadtverordnetenversammlung allein beschlossen „offensichtlich gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung“.

Die hatte nämlich abgestimmt. In Kaufhallen, Fischereibetrieben, der Poliklinik und an anderen öffentlichen Orten hatten Listen zum Ankreuzen des lieb

sten BRD-Städtepartners ausgelegen. Bei über tausend abgegebenen Stimmen war Bremerhaven auf 57 Prozent, Cuxhaven auf 30 und weit abgeschlagen Stade nur auf 15 Prozent gekommen. Und noch am 21. März habe der „Runde Tisch“ gegen die offizielle Entscheidung für Cuxhaven protestiert. „Der historischen Wahrheit zuliebe sollte dies in den betroffenen Städten bekanntgemacht werden“, fordert Bremerhavens OB Karl Willms.

In Cuxhaven aber sind Volksabstimmung und Runder-Tisch

Beschluß „nicht bekannt“. Auch „eine Art Vorvertrag“, der nach Bremerhavener Erkenntnis bereits im Januar zwischen Saßnitz und Stade geschlossen worden sein soll, ist in Cuxhaven „nicht bekannt“. „Einige Kenntnisse“ will man in der niedersächsischen Fischmetropole dagegen über Bremerhavens unlauteren Wettbewerb haben. Was da jedoch im einzelnen vorgefallen sein soll, möchte der Stadtrechts-Rat Konradi lieber nicht mitteilen.

„Wir wollten den Menschen konkret helfen und uns nicht auf

Kosten der Saßnitzer profilieren“, hält Bremerhavens OB Willms dagegen. Im übrigen tauge „die Konkurrenz um eine Städtepartnerschaft mit Saßnitz“ nicht dazu, „ein Possenspiel aufzuführen“. Einziger Trost für das abgeblitze Bremerhaven: Der vereinbarte Deal mit den Saßnitzer Fischereibetrieb läuft wie geplant. Bremerhaven liefert ein Kühlhaus, Saßnitz bezahlt mit Heringen.

Hering spielt auch bei Cuxhavens Interesse an dem Ostseehafen eine Rolle. „Im Fischbereich erhoffen wir uns jetzt natürlich verbesserte Kontakte“, meint Stadtrechts-Rat Konradi. Bei knappen Fangquoten und scharfer internationaler Konkurrenz dient Freundschaft dem Geschäft.

Das weiß auch Bremerhaven. Und deswegen werden jetzt „die partnerschaftlichen Hilfen, die auf unterschiedlichen fachlichen Ebenen angelaufen sind, auch ohne formelle Partnerschaft mit Unterstützung der Stadt Bremerhaven fortgeführt“, verspricht OB Willms. Kann doch Cuxhaven sehen, wo es mit seinem Vertrag bleibt, den es eh nur mit „Vertretern der alten Herrschaftsclique der SED“ abgeschlossen hat. Bremerhaven weiß, wie's richtig geht: Am Freitag gab der Magistrat „im Eiltempo“ ein „Raster über die Produktions-und Dienstleistungsstruktur seiner jüngsten Partnerstadt“ in Auftrag. Nein, nicht Saßnitz, sondern das polnische Stettin.

Dirk Asendorpf