Kein schöner Bauland in dieser Zeit

■ Ökostadt e.V. diskutierte Wohnraumprobleme / Viele Ideen, alle gut, wenig wirksam

Nach zwei Stunden haute die Architektin Björke Richters auf den Tisch: „Was hier unter ökologischem Deckmantel vorgeschlagen wird, ist erstens unbezahlbar und zweitens hilft es nicht aus der akuten Wohnungsnot.“ Im Lagerhaus Schildstraße wollte der Verein Ökostadt am Mittwoch Abend Perspektiven aus der Wohnungsnot diskutieren. Doch nach einer knackigen Analyse entpuppten sich die gutgemeinten Vorschläge zu einer „ökologischen Stadtgestaltung“ (Veranstaltungsreihe) vor 120 Interessierten als Tropfen auf einen heißen Ziegel.

Wie entsteht Wohnungsnot? Björke Richter hatte einen ganzen Sack voller Hintergründe mitgebracht und verwirrte zunächst mit einem Paradoxon: Gegenüber 1967 hat sich die Zahl der Wohnungen in Bremen um 43.000 erhöht, während die Bevölkerung um 48.000 sank. Warum trotzdem Wohnungsnot?

Hauptmerkmal der Wohnungsbewegung zwischen den Jahren 1971 und 1987: Gutverdienende Mieter oder künftige Eigentümer wandern ins Umland ab, weil sie dort größere Wohnungen mieten oder Häuser bauen können. Insgesamt verlegen 400.000 BremerInnen ihren Wohnsitz nach außerhalb, das sind immerhin 80 Prozent der Bevölkerung. Die freiwerdenden größeren Wohnungen werden aufgeteilt: 16.000 kleine Wohnungen fallen dem Umbau zum Opfer. Die Nachfrage nach innerstädtischen Wohnungen hängt von der Zahl der Haushalte ab. 72 Prozent aller Bremer Haushalte beherbergen eine oder zwei Personen, klassische Familien werden buchstäblich an den (Stadt- )Rand gedrängt: Nur noch in Osterholz, Arsten und Habenhausen besetzen Haushalte mit drei Personen und mehr über die Hälfte aller Wohnungen.

Neben der zunehmenden Vereinzelung steigt auch der Wohnflächenbedarf. Von 1968 bis 1987 klettert die statistische Meßlatte von 24 auf 36 Quadratmeter Wohnfläche pro Person. Dabei liegen Eigentümer noch um fünf Quadratmeter über Mietern.

Die Zahl billiger Wohnungen nimmt ab. Bis 1968 waren gerade 48 Prozent aller Wohnungen mit Bad und Sammelheizung ausgerüstet. Wohnungen ohne waren entsprechend billiger. Heute haben 87 Prozent aller Wohnungen diesen Ausrüstungsstand. Zusätzlich gibt es heute 2.500 Sozialwohnungen weniger als noch vor 20 Jahren: Die soziale Bindung ist ausgelaufen.

Was tun? Peter Schröders, Stadtplaner von der TH Hamburg, stellte ein neues Modell des Sozialen Wohnungsbaus vor. Danach würden alle Subventionen in einen kommunalen Fördertopf eingezahlt und gleichmäßig verteilt. Dieser kommunale Baufond müßte Mieten um die fünf Mark pro Quadratmeter garantieren.

Aber dadurch werden die knappen Wohnflächen auch nicht billiger. Das hohe Preisniveau wird bezahlt, die Preise steigen weiter.

„Luxussteuer“ hallte es dann durch das Lagerhaus. Akademikerehepaare z.B. sollen kräftig zur Kasse gebeten werden, wenn sie zu zweit 120 und mehr Quadratmeter bewohnen. Das hilft den Wohnungslosen und —suchenden nicht. Und auch der Hinweis auf die Zweidrittelgesellschaft, die sich auf dem Wohnungsmarkt widerspiegele, schafft erst einmal keinen neuen Wohnraum.

Die Gesellschaft für Landeskunde konnte dann noch einige Bremer Baulücken mit Wohnideen füllen und aus Brachland Wohnsiedlungen zaubern (wenigsten auf dem Overhead-Projektor), doch ein durchschlagendes Rezept hatte sie auch nicht. Markus Daschner