Keine AKWs mit Umweltengel

■ Bundeskonferenz der KernkraftgegnerInnen gegen Rot-Grün / Aktionsschwerpunkt Ex-DDR

„Die Rot-Grüne Koalition in Niedersachsen suggeriert, daß es künftig atomare Anlagen mit blauem Umweltengel gibt.“ Heftige Kritik an der niedersächsischen Landesregierung übte die Herbstkonferenz der AtomkraftgegnerInnen (BuKo) am vergangenen Wochenende im Bremer Wehrschloß. „Die Regierung spricht ständig vom Ausstieg, während sie tatsächlich weitere Atomprojekte genehmigt“, erklärte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg gestern auf der abschließenden Pressekonferenz.

Zu den neugenehmigten Projekten in Niedersachsen gehörten unter anderem die Erweiterungsgenehmigung für die Brennelementefabrik ANF in Lingen, die Auslagerungsgenehmigung für das Faßlager in Gorleben und die Fortführung des Planfeststellungsverfahrens für das Zwischenlager „Schacht Konrad“ bei Salzgitter. „Rot-Grün ist für die Anti-AKW-Bewegung nur ein Lernmodell. Wir müssen als außerparlamentarische Kraft weiter unsere Politik machen“, faßte Ehmke die Resultate einer Diskussionsveranstaltung zusammen. Die BuKo fordert in diesem Zusammenhang die Aufhebung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung (TER) für die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben.

Als eine von mehreren Aktionen hat die Herbstkonferenz eine symbolische Stellenbesetzung im niedersächsischen Umweltministerium beschlossen. Dort sollen für den Bereich „Rückbau der Atomenergie“ drei neue Planstellen geschaffen werden. „Für diese Posten ist niemand geeigneter als wir“, freuten sich die KernkraftgegnerInnen über ihre neue Aufgabe, die den Ausstieg forcieren soll.

Als zweiten Tagungsschwerpunkt wählten die KernkraftgegenerInnen die Entwicklung der Atompolitik in den neuen Bundesländern. Etwa 20 TeilnehmerInnen aus der ehemaligen DDR waren nach Bremen gekommen, um die allmähliche Verschmelzung des atomaren Widerstandes auf der traditionellen Herbstkonferenz zu institutionalisieren. Vorläufiges Ergebnis der ersten gemeinsamen Runde: Die offene Müllkippe Morsleben, die der Ex-DDR bisher als atomares Endlager diente, soll im nächsten halben Jahr unter schweren Widerstandsbeschuß genommen werden. Anfang nächsten Jahres werden für das alte Atomklo der DDR die politischen Weichen gestellt.

Mit welchen Aktionen das Trommelfeuer gegen das „Endlager“ eröffnet werden soll, muß laut Bremer Konferenzbeschluß jetzt eine Arbeitsgruppe austüfteln. Die Ergebnisse sollen dann Mitte Dezember auf einer Regionalkonferenz bei Morsleben mit der dortigen Initiative abgestimmt werden. Klar war gestern nur: Höhepunkt der Mobilisierung wird eine zentrale Großveranstaltung.

Geplant ist weiter eine Morsleben — Kampagne, die von den einzelnen Initiativen in die jeweilige Region zwischen Flensburg, Frankfurt/Oder und Freiburg hineingetragen werden soll. „Damit wollen wir der Atomindustrie kräftig in die Parade fahren“, erklärte Jens Scheer, Aktivist der Anti-AKW-Bewegung und Physik-Professor an der Uni Bremen. „Wir müssen den Menschen in den neuen Bundesländern klarmachen, daß auch westlicher Ausrüstungsstandard keine Sicherheitsgarantie gewährleisten kann.“

Neben dem Schwerpunkt Morsleben will die Anti-AKW- Bewegung auch mit regionalen Themen dezentral weiterarbeiten. Der Jahrestag von Tschernobyl soll auch dazu genutzt werden, in den einzelnen Standorten und Regionen weiter gegen das laufende Atomprogramm zu mobilisieren. Eine zentrale Tschernobyl-Veranstaltung soll 1991 nicht stattfinden.

Besonderes Augenmerk wollen die KernkraftgegnerInnen auf das Engagement der Atomindustrie bei der „Wiederaufrüstung“ der maroden AKWs in den neuen Bundesländern werfen. „Damit will die Industrie den Ernstfall für 23 weitere Atomkraftwerke proben, die nach Greifswald im Ostblock auf Weststandard umgerüstet werden sollen.“ Markus Daschner