Verhandeln oder nicht verhandeln?

■ Während das BesetzerInnenplenum weitere Verhandlungen vom Abzug der Polizei abhängig macht, scheint man sich in Prenzlauer Berg an eine Vertragslösung heranzutasten/ Wohnungsbaugesellschaft gibt »Nichträumungserklärung« ab

Berlin. Die Augen haben sich mittlerweile an Polizeikonvois, Straßensperren und das notorische Blaulicht in und um die Mainzer Straße gewöhnt, nicht aber die Nerven. Was nach Auffassung der Polizeibeamten »notwendige Präsenz« ist, empfinden BesetzerInnen als pure Provokation. »Die wollen doch nur, daß ein Stein fliegt«, erklärt ein Besetzer dem Friedrichshainer Baustadtrat Hannemann vor dem Info-Café in der Kreutziger Straße. »Dann können sie die anderen Häuser auch noch alle machen.« Abwechselnd machen Räumungsgerüchte und Schilderungen über brutale Polizeieinsätze die Runde. Der eher zaghafte Einwurf Hannemanns, er habe auch Molotowcocktails gesehen, wird barsch weggebügelt. »Wir haben uns bloß verteidigt.«

Vertreter aus besetzten Häusern hatten zuvor auf einer Pressekonferenz erklärt, man sei zwar grundsätzlich verhandlungsbereit, angesichts »massiver Polizeipräsenz und akutem Räumungsdruck seien Verhandlungen nicht möglich.« Weiter verhandeln will man erst, wenn die Polizei von den Straßen abgezogen ist. Gefordert wird zudem die Rückgabe der geräumten Häuser in der Pfarrstraße, Cotheniusstraße und der Mainzer Straße, eine schriftliche »Nichträumungsgarantie« für alle besetzten Häuser, die Freilassung aller Festgenommenen sowie eine Entschädigung für »alle Betroffenen des Polizeieinsatzes«. Eine entsprechende Erklärung übergaben BesetzerInnen nach eigenen Angaben am Samstag auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Hellersdorf dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper.

Betont wurde erneut, daß entgegen den Behauptungen Mompers auch die BesetzerInnen aus der Mainzer Straße verhandlungsbereit gewesen seien. Letztere hätten zu dem Vertragsgremium gehört, das mit Magistratsvertretern bis zum 8.Oktober über einen Rahmenvertrag für alle besetzten Häuser verhandelte. An diesem Tag wurden von seiten des Magistrats die Verhandlungen abgebrochen. Wie der Unterhändler des Magistrats, Martini, seinerzeit der taz erklärte, sei ein Vertrag mit dem Besetzerrat seitens der Ostberliner Stadtregierung »politisch nicht gewollt« gewesen.

Unterdessen scheint der Schock nach den Ereignissen in der Mainzer Straße zumindest in Prenzlauer Berg zu einer Beschleunigung des Verhandlunsgtempos beizutragen. Vertreter der dortigen Wohnungsbaugesellschaft (WIP) sicherten den BesetzerInnen am Freitag in der zweiten Sitzung des »Runden Tisches Instandbesetzung« eine »Nichträumungserklärung« zu. »Wir sind bereit«, heißt es wörtlich, »mit allen hier aufgeführten Häusern Vertragsverhandlungen zu führen, und wir dulden den Aufenthalt der BesetzerInnen in diesen Häusern.« Auf der WIP-Liste aufgeführt sind 36 Häuser, darunter solche, die bereits vertragliche Nutzungsregelungen ausgehandelt haben. Andere stünden kurz vor Vertragsabschluß, fünf weitere Häuser hätten ihre Bereitschaft »zum Abschluß von Mietverträgen und zu darauf aufbauenden Verträgen (Vorvertrag, Modernisierungs- und Instandsetzungsvertrag)« signalisiert.

Unklar ist noch, ob die Verhandlunsrunde bei ihrem nächsten Treffen in vier Tagen einen entscheidenden Streitpunkt wird klären können: Während die WIP mit »jeder Gruppe und jedem Verein« Einzelverhandlungen führen will, fordern die TeilnehmerInnen des »Runden Tisches Instandbesetzung« einhellig, daß zuvor die »allgemeinen Vertragsinhalte« mit bevollmächtigten VertreterInnen des Besetzerrates Prenzlauer Berg ausgehandelt werden. Außerdem wollen die BesetzerInnen bei den Vertragsverhandlungen auch das geräumte Haus in der Cotheniusstraße 5 sowie die Dunckerstraße 16 miteinbezogen wissen. Daß das letztere besetzt ist, war der WIP noch gar nicht bekannt. »Wir sitzen zur Zeit auf einem Pulverfaß«, erklärte Wolfram Kempe, Vertreter des Neuen Forums am Runden Tisch, »es muß zumindest festgeschrieben werden, daß es nicht zu Räumungen kommt, und daß die Verantwortlichen auch hier nach einer Ersatzlösung suchen.« Andrea Böhm/Olaf Kampmann