Hängen auf den sechsten Rängen

Bei der gesamtdeutschen Gewichtheber-Mannschaft stimmt noch nicht viel, aber Ost-Know-how und Westgeld lassen hoffen/ Drakonische Doping-Strafen beschlossen  ■ Aus Budapest Thomas Schwarz

Die Herren, die so gut mit den Eisen und den Pillen umgehen können, übten sich bei den Weltmeisterschaften von Budapest in Bescheidenheit, lagen doch die Leistungen erheblich unter den Kilolasten der Europameisterschaften dieses Jahres und gar Welten waren sie von den Rekordlasten entfernt.

Die starken Männer stellten sich lieber als Saubermacher des Sports vor. Denn es ist fünf vor zwölf, und der dem Gewichtheben ohnehin nicht besonders zugeneigte Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Juan Antonio Samaranch, dürfte das auch bei seinem Besuch der Weltmeisterschaft unmißverständlich gesagt haben. Das Gewichtheben ist nun einmal nicht mit der Attraktivität der Leichtathletik zu vergleichen, so daß ein Olympia-Ausschluß kaum ins Gewicht fallen würde.

Derart eingeschüchtert trat man die Flucht nach vorn an. Wer ab 1. Januar 1991 sich in Sachen Doping neuerlich erwischen läßt, wird lebenslänglich gesperrt und muß außerdem 2.000 Dollar Strafe zahlen. Zudem besteht die Absicht — und das wäre sicher die ärgste Strafe — den gesamten Landesverband von Welt- und Europameisterschaften auszuschließen. Fraglos, diese Art von Konsequenz verdient Anerkennung, nur sollten die Obergewichtheber auch dann ab 1. Januar beim Punkt Null beginnen und neue Rekorde zur Disposition stellen. Nur zur Anschauung: Leicht-Schwergewichts- Weltmeister wurde ein Tadschike namens Altay Orazdurdijew mit 377,5 Kilogramm im Zweikampf. Der Weltrekord indes wird seit 1982 von Jurik Wardanjan aus Armenien gehalten und steht bei 405 Kilogramm. Ist das nun ein Rekord für die Ewigkeit?

Die Gewinner dieser Weltmeisterschaft kommen einmal mehr aus der UdSSR und Bulgarien, obwohl bei den Bulgaren der Pillenknick schon erkennbar wird und einige anabole Schluckspechte schon gar nicht mehr auf der Heberbühne erschienen. Bei den Sowjets mit Cheftrainer Wassili Alexejew an der Spitze (Originalton: „Ich mag Kohl mehr als Gorbatschow, hat er doch so einen dicken Bauch wie ich“), sorgten vor allem Kirgisen, Armenier, Tadschiken und Moldavier neben den Russen für Medaillen. Alexejew hat das Nationalitätenproblem in seinem Bereich anscheinend gelöst.

Mächtig aufgedreht haben die Chinesen sowie die Nord- und Süd- Koreaner, denen das Eisen zusehens besser in der Hand liegt. 1992 in Barcelona könnten sie die großen Gewinnner werden. Nicht am Start waren die armen Kubaner, die zwar die Titelkämpfe für 1993 zugesprochen bekamen, aber dieses Mal nicht genügend Geld besaßen, um von Havanna nach Budapest zu reisen.

Fehlende Reisemittel werden es jedoch kaum gewesen sein, warum auch die Albaner fehlten. Zuletzt bei den Europameisterschaften sorgten sie für sensationelle Madaillengewinne. Die angekündeten Sperren ließen sie wohl lieber in Tirana verweilen.

Und die Deutschen? Sie kamen mit einer gemeinsamen Mannschaft nach Budapest, einer Mannschaft, die erfreulicherweise durchaus Harmonie ausstrahlte und sich insgesamt recht wacker schlug. In der Endabrechnung blieben die Deutschen auf den vierten, fünften und sechsten Rängen hängen.

Die Athleten aus der ehemaligen DDR haben die Umstellungen auf die neuen Gegebenheiten noch nicht recht verkraftet, die westdeutschen mußten auf ihren Vorzeige-Athleten Manfred Nerlinger aufgrund einer noch nicht völlig auskurierten Verletzung verzichten. Doch mit ostdeutschem Know-how und westdeutschem Geld sollen schon im nächsten Jahr bei den Weltmeisterschaften in Donau-Eschingen, die unter dem Motto „100 Jahre Gewichtheben in Deutschland“ stehen, die gesammelten Kräfte wieder zunehmen.

Reißen:1. Vlad 192,5 kg, 2. Kopytow 180 kg, 3. Sadykow 177,5 kg, 5. Guse 172,5 kg

Stoßen:. Sadykow 222,5 kg, 2. Kopytow 220 kg, 3, Vlad 220 kg, 6. Guse 210 kg

Schwergewicht (bis 100 kg): Zweikampf: 1. Nicu Vlad (Rumänien) 412,5 kg (192,5/220), 2. Igor Sadykow (UdSSR) 400 kg (177,5/222), 3. Sergej Kopytow (UdSSR) 400 kg (180/220), 4. Andor Szanyi (Ungarn) 392,5 kg (177,5/115), 5. Udo Guse (Stralsund) 382,5 kg (172,5/210), 6. Francis Tournefier (Frankreich) 377,5 kg (165/212,5)