Grüne und Eurokraten ohne Biß

Ökosteuervorschläge der EG-Kommission sind ein wildes Potpourri ohne kohärente Strategie/ Heidelberger Institut: Verachtfachung der Benzinpreise wäre kostendeckend  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Jos Delbelke ist ein Mann mit positivierendem Blickwinkel: Die Entscheidung der EG-Umweltminister, den Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2000 auf dem derzeitigen Niveau zu stabilisieren, propagierte er als „wichtige Errungenschaft“. Ihre Reaktion auf den Vorschlag des EG- Umweltkommissars Ripa di Meana, EG-weit Ökosteuern einzuführen, hielt er sogar für „vielversprechend“. Und die Golfkrise habe auch eine positive Seite, so der für Ökosteuern in der EG-Kommission zuständige Beamte Ende letzter Woche vor grün-internationalem Publikum: Der drastische Anstieg des Erdölpreises habe in der EG-Bevölkerung eine Erwartungshaltung geweckt, die die Einführung einer Ökosteuer erleichtern könnte. Reaktion der „grünen Steuerpolitiker“ aus Ost und West auf soviel Umweltoptimismus: höfliches Desinteresse, das den Eurokraten am Rande der von den Grünen im Brüsseler Europaparlament initiierten Debatte über Ökosteuern zu der Bemerkung veranlaßte, die Umweltpartei hätte ihren Biß verloren.

Daß es auch mit dem Biß der Umweltbeamten in der EG-Kommission nicht weit her ist, wurde in der anschließenden Diskussion deutlich. Das von Delbekes Chefkommissar Ripa di Meana Ende September vorgestellte Arbeitspapier zu Ökosteuern sei ein „wildes Potpourri umweltpolitischer Maßnahmen, das Energiesteuern auf fossile Brennstoffe, Pfandflaschenprogramme, Abgaben für besondere Lärmquellen wie Fluzeuge und den Handel mit Verschmutzungszertifikaten zwischen Staaten und Industriebetrieben zusammenmixt, das jedoch weder weiter konkretisiert noch zu einer kohärenten Strategie zusammengefaßt worden ist“. Im Grunde, so der grüne Mitarbeiter Klaus Dräger, handele es sich bei dem EG-Projekt um eine „Public-Relations-Maßnahme, mit der der Eindruck vermittelt werden soll, es würden wirksame Schritte für den Umweltschutz geplant“. Daß dieser Verdacht nicht unbegründet ist, hatte Ripa di Meanas Pressesprecher Ende September erläutert. Die Umweltminister der Europäischen Gemeinschaft, die in dieser Frage das entscheidende EG-Gremium darstellen, hätten zwar die Frage bejaht, ob es sinnvoll wäre, wirtschaftliche und steuerliche Maßnahmen zugunsten der Natur anzuwenden; eine EG-weite Harmonisierung sei jedoch auf große Skepsis gestoßen. Kein Wunder: Schließlich geht es dabei um Summen, die nach Delbeke ein Mehrfaches des gegenwärtigen EG-Haushalts von knapp 110 Milliarden DM ausmachen. „Die Höhe der Summe ist zu groß.“ Wie groß, wollte er nicht sagen, obwohl sein Chef in einem taz-Interview von einer fünfprozentigen Energiesteuer gesprochen hatte. Es bleibt eine bescheidene Initiative im Vergleich zu der über hundertprozentigen Preissteigerung bei Erdöl in den letzten Monaten. Demgegenüber betonte Erika Gauch vom Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut, daß nach neuesten Studien erst eine Verachtfachung des momentanen Benzinpreises die sozialen und Umweltkosten des Autoverkehrs decken würde.