Nato-Geheimdienst „Stay Behind“ bleibt bis 91 weiter im Dienst

Berlin (taz/afp/dpa) — „Stay Behind“ — bleib zurück — heißt die Geheimtruppe, die zwar bis in die jüngste Zeit Millionenbeträge aus dem Staatshaushalt verschlingt, aber von keinem parlamentarischen Gremium der BRD je genehmigt oder kontrolliert wurde. Gegründet wurde das deutsche Pendant zur italienischen „Organisation Gladio“ auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges im Jahre 1959 aufgrund einer „sehr frühen schriftlichen Verpflichtungserklärung“ der BRD gegenüber der Nato, wie Staatsminister Stavenhagen (CDU), der Koordinator der Geheimdienste, in einem Interview mit 'Bild am Sonntag‘ erklärte.

In den 70er Jahren sollen „über 200 Leute“ im Dienst von „Stay Behind“ gestanden haben, heute seien „nur noch ein paar Dutzend BND- Mitarbeiter“ dafür zuständig, sagte Stavenhagen. So richtig aufdecken will der Geheimdienst-Oberaufseher die Karten immer noch nicht: Erst am Donnerstag sollen die in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) sitzenden Bundestagsabgeordneten Einzelheiten erfahren. Bis zur Auflösung der Geheimtruppe sollen dann noch mal ein paar Monate vergehen. Stavenhagen nannte das Frühjahr 1991 als Termin.

Der deutsche Ableger des Nato- Geheimdienstes sollte „im Fall einer Invasion hinter den feindlichen Linien Nachrichten sammeln und auch mal abgeschossene Piloten ausschleusen“, so Stavenhagen. Im Zeitalter der Entspannung sei so etwas allerdings überholt.

Nach einem Bericht des 'Spiegels‘, der sich auf einen geheimen Vermerk des Bundeskanzleramts vom 14. November dieses Jahres stützt, wurden die Geheimtrupps durch das „Allied Coordination Comitee (ACC)“ beim Nato-Hauptquartier in Belgien koordiniert. Der als deutsche „Steuerungsorganisation“ fungierende Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach habe seit 1959 ein „Quellennetz“ aus 50 militärischen, 125 allgemeinen und 25 „Schleusungsquellen“ aufgebaut. Die „Widerstandskomponente“ sei allmählich reduziert und die Sabotageeinheiten abgebaut worden. Dennoch sei noch in jüngster Zeit ein Auftrag in Höhe von 130 Millionen DM für „Stay Behind“ vergeben worden. Dabei habe der BND 854 hochmoderne Agentenfunkgeräte mit der Bezeichnung „Harpune“ bei der Münchner Firma AEG/TST bestellt. Diese Anschaffung sei auch von zuständigen Vertrauensgremium des Bundestages ordungsgemäß bewilligt worden.

Ob die Bundesregierung über die Aktivitäten des Nato-Geheimdienstes in ihrem Land informiert war, läßt der Vermerk aus dem Kanzleramt offen. Immerhin untersteht der BND direkt dem Bundeskanzleramt und es existiert eine gewisse Fluktuation zwischen Pullach und Bonn — so arbeitet beispielsweise der ehemalige BND-Chef Klaus Kinkel heute als Staatssekretär im Justizministerium. dora