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Mehr Kampf mit Müller und Meier

■ Die deutschen Zehnkämpfer konkurrieren noch um Olympia-Tickets: Schenk und Dauth verletzt/ Überragend war Siebenkämpferin Sabine Braun, die einen neuen deutschen Rekord aufstellte

Götzis/Berlin (dpa/taz) — Daß es der deutschen Leichtathletik schlecht geht, ist bekannt. Nach all den Drogenskandalen glaubt Hinz und Kunz, daß alle Athleten gedopt sind. Ein Problem, mit dem auch Müller und Meier zu kämpfen haben. Doch Müller und Meier sind nicht irgendwer, sondern die Könige der Athleten. Doch auch Könige müssen weinen: Beim Internationalen Mehrkampfmeeting in Götzis flossen bei den Härtesten der Harten die Tränen sturzbachartig. Youngster Paul Meier flennte aus Freude über seinen Sensationswettkampf hemmungslos mitten im Stadion, während sich Olympiasieger Christian Schenk zum Verzweiflungsheulen in die Kabine zurückzog.

„Ich bin sehr niedergeschlagen“, bekannte Schenk, der aufgeben mußte und nun um die Olympia-Teilnahme bangt. In Götzis wurde dem 27jährigen aus Mainz eine Spritze zum Verhängnis. Um den Wurfarm, in dem eine Nervenentzündung am Ellenbogen schmerzt, ruhig zu stellen, ließ er sich eine Injektion geben. Leider fragte er nicht genau, was ihm da gespritzt wurde. Das Resultat war verheerend. „Meine rechte Hand war dannach total gefühllos, ich konnte den Speer nicht mehr halten“, berichtete Schenk. Verzweifelt versuchte er, mit links zu werfen, harpunierte jedoch um ein Haar seinen Fuß und gab entnervt auf.

Für Bundestrainer Claus Marek war der Ausfall Schenks und des Senkrechtstarters Thorsten Dauths, der beim 1.500-Meter-Lauf verletzt aufgab, zu verkraften, hatte er doch unverhofft Alternativen: „Jetzt haben wir wieder drei neue Leute, die über 8.000 Punkte gemacht haben. Da brauchen wir uns über die Zeit nach Schenk keine Gedanken machen.“ Aufsehen erregte vor allem der 20jährige Paul Meier (Leverkusen), der seine Bestleistung um 356 auf 8.153 Punkte steigerte und damit völlig überraschend Fünfter in dem Weltklassefeld wurde. Den Sprung in den Kreis der 8.000er- Kämpfer schafften erstmals auch Norbert Lampe (Magdeburg/8.016) und Stefan Schmid (Karlstadt/8.012).

Mit einem furiosen Schlußspurt schaffte Frank Müller (Norden/8.220) dieses Kunststück schon zum dritten Mal und wurde Vierter. Überlegener Zehnkampfsieger wurde der Tschechoslowake Robert Zmelnik, der sich mit 8.627 Punkten dicht an die Jahresweltbestleistung von Dave Johnson (USA/8.727) heranpirschte.

Souveräner als die deutschen Männer präsentierte sich Welt- und Europameisterin Sabine Braun. Die 26jährige Wattenscheiderin verbesserte den deutschen Siebenkampf- Rekord auf 6.985 Punkte und verfehlte den Europarekord von Larissa Nikitina (GUS/7.007) aus dem Jahre 1989 nur um 22 Zähler oder winzige 1,5 Sekunden im 800-Meter-Lauf. In der deutschen Rekordliste verdrängte Sabine Braun die Leipzigerin Sabine Paetz, die vor acht Jahren 6.946 Punkte schaffte. Läppische 15 Punkte fehlten der sommersprossigen Athletin jetzt noch, um als dritte Frau der Welt die 7.000er-Barriere zu durchbrechen. Der gewaltige Leistungssprung von Sabine Braun, die 1990 bei ihrem EM-Sieg mit 6.688 Punkten ihr bisheriges Optimum erreicht hatte, ist das erstaunlich — ein ergebnis des harten Wintertrainings. Damit will sie Weltrekordlerin (7.291) Jackie Joyner-Kersee (USA) aufschrecken. Doch allein die Verbesserung um zwei Zentimeter im Hochsprung auf 1,93 m war für Sabine Braun eine Überraschung: „Das war nicht abzusehen.“ Kalkuliert waren hingegen die Bestleistung über 100 m Hürden in 13,11 Sekunden (14/100 Sek. besser), im Kugelstoß mit 14,84 m (38 cm) und über 200 Meter in 23,65 Sekunden (28/100). 24 Stunden später legte sie 6,63 Meter im Weitsprung und 51,62 Meter im Speer nach, womit sie im 800-Meter- Lauf mindestens 2:11,17 Minuten für einen neuen Europarekord benötigte oder 2:15,3, um die nationale Bestmarke zu verbessern: Sabine Braun lief 2:12,67.miß

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