Die wirklich schönen Sachen haben Fehler

■ Holz aufgetischt: Tischlermeister Klaus Griebsch zaubert aus Baumstämmen ganze Küchen

Wie muß ein schöner Baum aussehen? Klaus Griebsch (40) wird ein bißchen verlegen. „Von einem Tischler erwarten immer alle, daß er schöne Bäume absägen will“, sagt er, und ein Baum-ab-Hacker, das ist er nun wirklich nicht.

Eher „Holzfreak“, wie er selbst sagt. Tatsächlich ist es mehr: Griebsch hat ein erotisches Verhältnis zu Holz. Seine Fingerkuppen streicheln die Maserung einer Erlenplatte, als er uns durch seine Werkstatt führt, liebkosend fährt er mit der Hand über ein Astloch in einer alten Eiche. „Ein schöner Baum“, sagt er dann nach einer kurzen Pause, „hat einen schönen, langen und geraden Schaft, möglichst dick, und im unteren Bereich wenig Äste.“

Griebsch verwandelt Baumstämme in Küchen. Vor acht Jahren hat sich der Tischlermeister selbständig gemacht. Massive Holzküchen sind sein Spezialgebiet. Alle Arbeitsgänge, die aus einem zersägten Baumstamm einen Küchenunterschrank oder eine Spüle zaubern, erledigt er selbst in Einzelarbeit und auf Maß. Heute, wo massive Möbeln und biologisch behandelte Oberflächen im Trend liegen, baut er auch schon mal in Lizenz Protoküchen für Möbelfabriken. Auch aus Massivholz, aber eben Norm, „Kisten übereinander“, wie er etwas abfällig sagt. Für seine Eigenanfertigungen hat er einen anderen Maßstab: „Bei einer Massivholzküche ist die Front aus einem Stamm.“

Wenn es um Küchen geht, kann Griebsch sich in seine Arbeit verlieren. Bei seinem bislang besten Stück hat er allein für die Karusselltür im Unterschrank mehrere Wochen gefeilt. Die gebogene Front hat ihn fast zur Verzweifelung gebracht, mehrer Schichten Holz gebogen übereinander verleimt: Zehntelmilimeterarbeit, dann schleifte die Tür beim Drehen, die Fugen mußten passen: „So etwas mache ich jetzt nicht mehr, das ist einfach zuviel.“

„Eine Küche muß funktionsgerecht sein, das Material muß stimmen.“ Griebsch verbindet in seinen Arbeiten Funktion und Design zu einer rationellen und ästhetischen Einheit. „Mein Kunde muß wissen, was er will.“ Eine Arbeitsplatte aus Holz setzt voraus, das sie entsprechend gepflegt wird. „Wer das nicht will, dem mache ich auch eine Platte aus Granit oder Edelstahl.“ Griebsch ist Holzfreak, aber kein Öko- Fundamentalist. Wer sich um Wasserflecken und Fettspritzer nicht sofort kümmern kann oder will, soll sich eben für Stein oder Edelstahl an der Arbeitsfläche oder für eine geflieste Rückwand „im Spritzbereich“ entscheiden. Punkt. Das gleiche gilt für die Oberflächenbehandlung. Öle oder Wachse, bevorzugt er, „aber ich habe auch nichts gegen Wasserlack.“ Eine Küche muß „wohngesund“ sein, daß heißt vor allem: Keine Kunstharz- Lacke.

Alles wird bei Griebsch auf individuell zugeschnitten, Geräte auf Wunsch mitgeliefert. Im Spü

Wer Holz nicht will, bekommt Edelstahl. Die Schubladen demselben Stück Baum gefertigt

len-Unterschrank hat Griebsch als Standart mittlerweile drei bis vier getrennt Abfalleimer eingebaut, mit Einwürfen von oben: „Alles muß der Praxis dienen“, sagt Griebsch, und dann auf design-chinesisch: form follows function.

Da wird auch im kleinen ge

hier das

Küchenfoto

klotzt: Für Einschübe und Griffe nimmt Griebsch das beste, was auf dem Markt zu haben ist: „Ich habe einfach keine Lust, wegen einer wackeligen Schublade noch einmal zu einem Kunden rauszufahren.“ Als Schubladen verwendet er beispielsweise Ouadroauszüge mit verdeckten Kugellagern. Keine Toleranzen, kein Schlackern, „die halten noch nach Jahren.“

„Eine Küche fängt bei 20.000 Mark an“, sagt er ganz lapidar. Drei bis vier Wochen bastelt Griebsch heute an einer Küche, bevorzugte Holzarten: Erle und Buche. Und wenn die Zeit ihn nicht ganz auffrißt, macht er nebenbei noch ein paar „Spielereien“: In seinem Büro in einer alten Mühle in Dibbersen-Thedinghausen steht eine mannshohe Uhr aus einer Erlenplatte, in seinem Zeichenzimmer hat er aus einer riesigen, unbehandelten Eichenplatte einen Stehtisch gemacht. Da sind ein paar Astlöcher und Risse drin, aber das gerade reizt ihn auch als Handwerker und Designer: „Die wirklich schönen Sachen sind aus fehlerhaftem Holz, die sind nicht so glatt, die haben Charakter.“ M. Daschner