Farbe auf mathematischem Grund

■ »Malerei als Glaubensfrage«: Katja Bette im Club an den Spittelkolonaden

Der kleine Club im Erdgeschoß eines der gräßlichen Hochhäuser in der Leipziger Straße besteht erst seit einigen Monaten. Es ist nur ein Raum, ausgelegt mit grauem Teppich. Eine breite Fensterfront gibt viel Licht. Wenige Tische und Stühle, an der Rückwand ein Klavier. Die Atmosphäre ist angenehm sachlich und wirkt trotz der Hitze, die draußen herrscht, erstaunlich erfrischend auf den Besucher. Derzeit gibt es in diesem Raum eine eigenwillige Ausstellung einer jungen Malerin zu sehen. Auf einem Tuch, das über Eck gespannt ist und ein großflächiges Schachbrettmuster zeigt, hängen wenige Gemälde. Im ersten Moment fühlt man sich erschlagen von diesem Wirrwarr an Farben und Formen. Die Bilder scheinen auf diesem an sich schon unruhigen Muster zu stören. Man wendet sich ab und sucht nach anderen Bildern. Aber da ist nichts weiter. Und so sehr man sich auch umsieht, es gibt keinen Zweifel: Diese Wand ist die ganze Ausstellung.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man geht anderen Beschäftigungen nach, oder aber man setzt sich noch mal hin und sieht sich das Ganze aus größerer Entfernung an.

Die Bilder sind in vier Blöcken angeordnet. Alle zeigen Frauenakte oder Akte von Paaren. Die Farben reichen von giftigem Grün über Rot- Violett bis zu sanften Pastelltönen in hellem Blau. Und bei längerer Betrachtung löst sich die Nur-Unruhe in eine wirkliche Bewegung auf, und Leben kommt in diese ganze Komposition. Die Konturen der Figuren, die anfänglich seltsam verwischt erscheinen, nehmen Gestalt an: Ganz verschiedene Haltungen sind zu entdecken. Eine Frau, die mit hochgereckten Armen und zurückgelegtem Kopf zu träumen scheint; ein Paar, das eng aneinandergeschmiegt sitzt und eine ungeheure Traurigkeit ausstrahlt. Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Bildgruppen stellt sich her: Es sind alles Bilder über die Liebe.

Katja Bette wurde 1961 in Greven, Münster, geboren. Nach einem Studium an der Akademie der Bildenden Künste München erhielt sie mehrere Preise und Förderungen und zeigte seit 1985 jedes Jahr eine Ausstellung in verschiedenen deutschen Städten. In einem Begleittext zur aktuellen Ausstellung beschreibt Katja Bette ihre Arbeitsweise: Sie benutzt klassische Vorbilder, zu denen sie beim Betrachten in Museen eine besondere Affinität spürt. Im Atelier »wandelt« sie sie dann in ihre eigenen Arbeiten um, das heißt, sie verändert Strukturen und Farbgebungen und kommt so zu einer eigenen neuen Idee. Zugegebenermaßen werden viele Besucher diesen Arbeitsstil nicht unbedingt in der gewagten Komposition von vielfarbiger Malerei auf streng mathematischem Grund erkennen. Ein Blick darauf lohnt sich aber in jedem Fall. Vielleicht erhellt sich manchem auch der Titel, dessen Sinn mir verborgen geblieben ist: Malerei als Glaubensfrage. Sibylle Burkert

Die Ausstellung ist noch bis zum 7.Juli im Club an den Spittelkolonaden zu sehen. Der Club ist täglich von 11.00 bis 19.00 Uhr geöffnet.