GASTKOMMENTAR
: Pazifismus oder Bellizismus?

■ Manchmal konkurriert das Gewaltverbot mit dem der Hilfeleistung

Deutsche Soldaten in alle Welt? Ein Horrorszenario für diejenigen, die vor dem historischen Hintergrund seiner Aggressionskriege gerade von Deutschland beispielhaftes Engagement für friedliche Streitbeilegung erwarten. Mißbrauch der Vergangenheit, um einer unpopulären Grundsatzentscheidung auszuweichen, halten andere dagegen. Die Notwendigkeit der Einzelfallprüfung rechtfertige nicht eine pauschale Zurückweisung deutscher Beteiligung auch an militärischen Zwangsmaßnahmen der UNO.

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ und „Krieg ist kein Mittel der Politik mehr“, soll das jetzt — nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und dem Ende der nuklearen Abschreckung — nicht mehr gelten? Krieg ist seit dem Briand-Kellogg- Pakt von 1928 geächtet, völkerrechtlich also schon lange kein zulässiges Mittel der Politik mehr. Das Problem liegt woanders: Was soll mensch tun, wenn andere Menschen aus diesem Gebot herausgefallen sind, d.h. wenn der Krieg entgegen dem Willen Gottes und des Völkerrechts nun doch stattfindet? Leider präsentiert die politische Wirklichkeit Situationen, in denen das Gewaltverbot mit dem Gebot der Hilfeleistung konkurriert. Das Grundanliegen — wohlgemerkt — bleibt erhalten. Es gibt keinen „gerechten Krieg“, nur eine u.U. zu rechtfertigende Verteidigung schutzwürdiger Güter (vor allem das Leben Unschuldiger), was im Grenzfall auch die Anwendung von Gewalt bedeuten kann. Die Ausnahme des Grenzfalls gewinnt ihre Legitimation jedoch nur im Rahmen einer Gesamtpolitik, die sich darauf konzentriert, kontinuierlich die Anreize für Gewaltanwendung zu verringern. Es ist ethisch keineswegs belanglos, ob eine Situation, in der Gegengewalt als letztes Mittel erscheinen mag, vermeidbar gewesen wäre oder nicht. Und schließlich ist zwischen Gewalt und Zwang zu unterscheiden. Wenn alle friedlichen Mittel der Streitbeilegung erschöpft sind, heißt das noch lange nicht, daß dann militärische Mittel gefordert wären. Das Instrumentarium politischer und wirtschaftlicher Anreize bzw. Sanktionen ist ein Stiefkind im Vergleich zum materiellen und intellektuellen Aufwand für das Militär. Radikalpazifismus (nie Gewalt) und pragmatischer Pazifismus (in Ausnahmesituationen auch Gewaltanwendung) sollten anfangen, aufeinander zu hören. Sie haben gemeinsam denen etwas auszurichten, für die die Anwendung von Gewalt und Gegengewalt immer noch mit der „Natur des Menschen“ verbunden ist. Gert Krell

Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt