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KOMMENTARESich nicht trennen können

■ Vaclav Havel versucht zu retten, was bereits verloren ist

Noch kein Jahr ist es her, da hatte Vaclav Havel in seinen Sommerlichen Reflexionen eines ganz deutlich gemacht: Um das Amt des tschechoslowakischen Staatspräsidenten werde er nicht kämpfen. Und noch nicht vergessen ist auch das Zaudern, das den Entschluß des Anhängers einer „unpolitischen Politik“ begleitete, als er sich zur Übernahme des höchsten Staatsamtes entschloß: Zunächst wollte er sich nur für wenige Monate, dann lediglich für die erste, zweijährige Amtsperiode zur Verfügung stellen. Gestern nun jedoch kandidierte Havel für eine zweite, diesmal vierjährige Amtsperiode.

Während Havel vor zwei Jahren von der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten gewählt wurde, war diesmal bereits lange vor der Abstimmung klar, daß sowohl die großen slowakischen Parteien als auch die Linke in Böhmen und Mähren ihm ihre Stimme verweigern würden. Angewachsen ist die Opposition aber auch in der Bevölkerung. Die zweijährige Amtszeit hat an dem einst makellosen Image des ehemaligen Dissidenten deutliche Spuren hinterlassen. Während die TschechInnen ihm vorwerfen, gegen die alten — kommunistischen — Strukturen zu unentschlossen, zu „moralisch“ vorgegangen zu sein, kritisieren SlowakInnen seine „pro-tschechische“ Haltung in der Diskussion über die staatsrechtliche Ordnung der Zukunft. Schließlich schreckte der Präsident jedoch auch vor einem weiteren Schritt nicht zurück: Nachdem er sein politisches Schicksal immer aufs engste mit dem des Föderativen Staates der Tschechen und Slowaken verbunden hatte, erklärte er sich angesichts des baldigen Endes dieses Staates bereit, auch das Amt eines Präsidenten der Tschechischen Republik zu übernehmen. Doch in einer Republik, die sich gegen das Zusammenleben mit der Slowakischen Republik entschieden hat, ist die bisherige tschecho-slowakische Vermittlung Havels nicht mehr vonnöten. Zudem verfügt der von Vaclav Klaus regierte Staat über eine Vielzahl von Politikern, die dem klaren marktwirtschaftlichen Programm des bisherigen Finanzministers näher stehen als ein Präsident, der immer wieder Kritik an der „Konsumgesellschaft“ äußerte.

Bleibt die Frage nach den Gründen für eine Anpassungsbereitschaft, die einer Aufgabe eigener Positionen gleichkommt. Unbestritten ist, daß der Präsident weiterhin von einem überwältigenden Verantwortungsgefühl für „seine“ BürgerInnen geleitet wird. Eng damit verbunden ist aber auch das übersteigerte Bewußtsein der eigenen Bedeutung für das Schicksal der CSFR, ist der verzweifelte Wunsch, im letzten Moment noch retten zu können, was bereits verloren ist. Die Ohnmacht der Mächtigen, die der Dissident so oft beschrieb, hat ihn nun als Präsidenten eingeholt. Sabine Herre, Prag

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