Fahrt mit angezogener Handbremse

Die Bush-Administration schliddert auf militärische Aktionen in Bosnien zu  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Showbusiness ist eigentlich eine amerikanische Spezialität. Doch letzte Woche bewies Frankreichs Staatspräsident Mitterrand ein perfektes Händchen für Mediendramaturgie, als er sich für die Weltöffentlichkeit ebenso überraschend wie spektakulär in das belagerte Sarajewo einfliegen ließ. Kaum einer hätte solche Fernsehbilder zur Zeit nötiger als der amerikanische Präsident im US-Wahlkampf. Doch Bush muß sich zur Zeit mit einer Salamitaktik in Pressekonferenzen und Talk- Shows daheim in Washington begnügen: Die einstige Opposition der Bush-Administration gegen jede militärische Aktion in der jugoslawischen Krise ist Tag für Tag und Stück für Stück darauf geschrumpft, daß man keine Bodentruppen in das Bürgerkriegsgebiet schicken will.

Noch am vorletzten Donnerstag hatten Vertreter des Pentagon versichert, amerikanisches Militär würde unter keinen Umständen eingesetzt werden, um die Belagerung Sarajevos zu durchbrechen. Letzten Dienstag verkündete Verteidigungsminister Cheney, man sei bereit, im Rahmen der UNO Luft- und Seetruppen bereitzustellen, um die Lieferung von Hilfsgütern nach Sarajevo auch militärisch durchzusetzen. Man müsse wohl mit Widerstand der Serben rechnen, erklärte Cheney.

Gestern nun landeten im Rahmen der UNO-Aktion die ersten US-Transportmaschinen mit Hilfsgütern auf dem Flughafen in Sarajevo. Vor der Adriaküste hatte Washington am Montag Marineeinheiten aufziehen lassen — man wollte Stärke und Nachdruck demonstrieren. Die Verbände sind vorerst wieder abgezogen worden.

Nach wie vor ähnelt die US-Politik in Sachen Jugoslawien jedoch einer Fahrt mit angezogener Handbremse — und mit völlig ungewissem Ausgang. Da sind auf der einen Seite die Fernsehbilder von Massakern an der Zivilbevölkerung in Sarajewo sowie immer lauter werdende Forderungen nach mehr militärischer Einsatzbereitschaft und immer kritischeren Fragen nach Bushs „Neuer Weltordnung“ in den Kommentarspalten der Tageszeitungen; da ist andererseits der amerikanische Wahlkampf mit eindeutig innenpolitischen Schwerpunkten und einer immer geringer werdenden Euphorie für den Einsatz von US-Truppen im Ausland. Offensichtlich hat sich im Weißen Haus die Überzeugung durchgesetzt, daß Bilder von hungernden Menschen in Sarajevo für die Wahlkampagne Bushs zu großen Schaden anrichten können, wenn die USA sich nicht an der notfalls militärischen Sicherung der Hilfslieferungen beteiligen.

Doch vor allem im Verteidigungsministerium befürchtet man, daß die USA kurz davor stehen, in einen Bodenkrieg hineinzuschliddern. „Ich befürchte“, erklärte ein namentlich nicht genannter General der 'Washington Post‘, „daß wir anfangen, Hilfsgüter einzufliegen, und irgendwann schießen ein paar verrückte Serben eine unserer Maschinen ab. Dann gibt es einen Aufschrei des Zorns in der amerikanischen Bevölkerung. Und dann stecken wir mittendrin.“