Planlos vor der Atom-Altlast Wismut

■ Trinkwasser für eine Million Menschen gefährdet

Die Wismut-Sanierung in Sachsen und Thüringen verpulvert ohne Konzept Hunderte von Millionen Mark und gefährdet zusätzlich das Trinkwasser von rund einer Million Menschen. Dies sind die Hauptergebnisse einer Landtagsanhörung zur Wismut-Sanierung, die gestern in Dresden stattfand.

Der Leiter der Wismut, Manfred Bergmann, mußte vor den Abgeordneten des Umweltausschusses im Sächsischen Landtag einräumen, daß ein Sanierungskonzept für die Wismut noch nicht vorliegt und daß ein erster Versuch für ein solches Konzept von den Bonner Ministerien für Umwelt und Wirtschaft als ungenügend zurückgewiesen wurde. Der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, Mader, sagte, zu dem ersten Konzeptvorschlag seien von Experten „zahlreiche Verbesserungsvorschläge“ eingegangen. Bonn habe die Wismut angewiesen, „diese Vorschläge aufzugreifen“. Ein zweiter Anlauf soll im Herbst vorgelegt werden. Die Wismut gehört seit 1991 zu 100 Prozent dem Bund.

Auch ohne abgesegnetes Konzept hat die Wismut an einigen Standorten mit Sanierungsanstrengungen begonnen und dabei offenbar mindestens genausoviel Schaden angerichtet wie Nutzen. Besondere Sorgen machten sich die sächsischen Abgeordneten über das Uranbergwerk in Königstein. Dort verlaufen im Bereich des Bergwerks vier Grundwasserleiter, aus einem wird Trinkwasser für rund eine Million Menschen zwischen Dresden und Pirna gewonnen. Eben dieses Trinkwasser ist paradoxerweise durch die Sanierung erheblich gefährdet. Der vierte und unterste Wasserleiter ist durch den in Königstein praktizierten Uranabbau im Laugenverfahren erheblich mit Uran und giftigen Schwermetallen wie Arsen verseucht. Durch den Abbau sind inzwischen auch eine Reihe Verbindungen zum dritten Grundwasserleiter entstanden, aus dem das Trinkwasser kommt. Wenn die Schächte geflutet würden, wenn also das Grubenwasser nicht mehr abgepumpt wird, droht eine Verseuchung mit Uran und Radium.

Gerhardt Schmidt vom Darmstädter Öko-Institut empfahl gestern, die Grube nicht einfach nur liegenzulassen, um dann das verseuchte Wasser zu reinigen. Statt dessen sollte die Wismut sich Zeit nehmen und sich die amerikanischen Erfahrungen anschauen, wo schon erfolgreich solche Grundwasserleiter saniert worden seien. „In den USA muß vor Beginn des Abbaus schon ein detaillierter, experimentell abgesicherter Sanierungsplan vorliegen“, so Schmidt. Der Darmstädter Wissenschaftler kritisierte die Laxheit im Umgang mit den atomaren Risiken bei der Wismut. Schmidt berichtete von Lastern, die mit feinkörnigem verseuchten Material durch Kleinstädte brausen. Das Abwasser werde nur ungenügend gereinigt. Wenn die Wismut das Wasser weiter so ablasse, sei „die Weiße Elster in den kommenden 500 bis 1.000 Jahren nicht mehr für die Trinkwassergewinnung zu nutzen“. Und schon gar kein Verständnis habe er, daß über ein ganz besonders gefährliche Halde nach wie vor der Wind fege und die Radioaktivität in die Lande trage. Nicht einmal die Abdeckung per Plastikplane „bekommt die Wismut auf die Reihe“. Hermann-Josef Tenhagen