Es fehlt nicht nur am Geld allein

■ An den Berliner Theatern mangelt es auch an Ideen

In einer lapidaren Zeitungsmeldung von Donnerstag heißt es, das Rostocker Theater stehe vor dem Aus. Bisher hat es die rund 80 ostdeutschen Bühnen nur beinahe erwischt. Das wird nicht so bleiben, da im kommenden Jahr die Überbrückungshilfe aus dem Kulturfonds des Bundes ausläuft. Um so erstaunlicher, daß es ausgerechnet als erstes Haus die Westberliner Freie Volksbühne erwischt hat. In Berlin sind die (noch billigeren) Theater im Ostteil der Stadt, allen voran das Deutsche Theater oder auch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, als Aushängeschild für die gewünschte Hauptstadt-Kultur offenbar eher geeignet als ihre kriselnden westlichen Pendants. Soeben hat das vierköpfige Leitungsteam des Schiller Theaters die vorzeitige Beendigung seiner Tätigkeit bekannt gegeben. Viel schlechter besucht als so manche Vorstellung im Schiller Theater, das mit 40 Millionen Mark subventioniert wird, kann das Rostocker Theater auch nicht gewesen sein.

Während die Berliner Journaille im Fall Schiller Theater nicht zum erstenmal beinahe unisono als neuem Intendanten nach Altmeister Peymann verlangt, werden in der überregionalen Presse bereits Stimmen laut, die die Schließung oder private Verpachtung des Schiller Theaters fordern. Dasselbe Dilemma wie mit der Freien Volksbühne: Zwar gibt es ein Haus, aber keine Idee, wer es wie betreiben soll. Denn sowohl der Ruf nach Peymann wie auch die Idee des Kultursenators, den aus dem bisherigen Leitungsteam mitausscheidenden Dramaturgen Volkmar Clauß als nächsten Direktor zu berufen, sind nicht besonders originell. Ist das Haus allerdings erst einmal an einen Musicalgroßunternehmer wie Deyhle vergeben — er betreibt in mehreren Städten florierende Musicalhäuser mit Cats und The Phantom of the Opera —, werden Haus und Ideen verschwunden sein.

Neue Ideen sind gefragt

Eine Idee zumindest gibt es für die Zukunft des Berliner Ensembles. Genauer gesagt sind es fünf Ideen, die fünf Köpfen entstammen, die das zukünftige und bisher einmalige Modell eines Fünfer-Direktoriums am ehemaligen Brecht-Theater praktizieren wollen. Dafür soll das Theater in eine GmbH umgewandelt werden. Die Teilprivatisierung macht dennoch eine Subventionierung in Höhe von 24 Millionen Mark nötig. Den Herren Zadek (Peter), Langhoff (Matthias), Palitzsch (Peter), Marquardt (Fritz) und Müller (Heiner), die sich als geschäftsführende Direktoren im Zweijahresturnus abwechseln wollen, schweben produktionsorientierte Arbeitsstrukturen am Theater vor; Die neue Rechtsform der GmbH würde die Umgehung der eisern-gewerkschaftlichen Rahmenverträge des Bühnenvereins ermöglichen, die es beinahe unmöglich machen, Kündigungen im Ensemble auszusprechen oder aber flexiblere Arbeitszeiten bei der Technik einzuführen. Selbstredend sind diese Pläne auf Mißbilligung der Mitarbeiterschaft und auf Einspruch der IG Medien gestoßen. Gerüchte der vergangenen Woche, die potentiellen Direktoren seien bereits miteinander zerstritten, sind von Matthias Langhoff inzwischen entschieden dementiert worden. Erst vor gut einem Jahr hatte der (parteilose) Kultursenator Rolf Roloff-Momin ein Gutachten für neue Strukturen der Berliner Theaterlandschaft in Auftrag geben. Damals wurde auch die Idee eines Theaters der Nationen im Haus der Freien Volksbühne geboren. Dafür ist heute kein Geld mehr da, der Kultursenator hat alleine nicht mehr viel zu entscheiden. Als einen „Solidaritätsbeitrag“ bezeichnet er ganz euphemistisch die Vorgabe des Finanzsenators, im kommenden Jahr 25 Millionen Mark einzusparen. Zwischenzeitlich war gar von einer Schließung der Deutschen Oper in der Bismarckstraße die Rede, für die sich jedoch der Regierende Bürgermeister persönlich in die Bresche warf. Der Finanzsenator konterte prompt, indem er die Komische Oper zur Disposition stellte. In den Etagen der Kultursenatsstelle denkt man derzeit über Schließungstage (immer wieder montags) oder eine flexiblere Preisgestaltung nach. In der Woche wäre ein Platz in den vorderen Reihen billiger als am Wochenende. Außerdem ist ein Kulturmarketingkonzept in Auftrag gegeben worden, von dem man sich langfristig die Deckung von zehn Prozent der Ausgaben im Kulturhaushalt verspricht.

Sponsor abgesprungen

Doch Sponsoren sind unzuverlässige beziehungsweise wettbewerbsabhängige Partner, wie folgende Anekdote beweist: Die renommierte Schaubühne wollte ihren ehemaligen Chef Peter Stein sein großes Faust- Projekt realisieren lassen — mit Hilfe von Sponsorengeldern. Doch die wurden von Mercedes-Benz soeben zurückgezogen, weil der Bau des Jägers 90 in vorgesehener Weise geplatzt ist. Das Faust-Projekt auch. Sabine Seifert