“Junkies“ und „Spießer“

■ Verlegung des Drogenstrichs nach Pusdorf taz v. 7.8.92

Wie Sie berichteten, wurde die Verlegung des Drogenstrichs nach Woltmershausen während der Bürgerinitiative-Versammlung energisch abgelehnt. Unter den Anwesenden waren 6 Beiratsmitglieder des Stadtteils, welche sich ebenfalls gegen die Verlegung aussprachen. Die staatliche „Drogenpolitik“ besteht z.Zt. darin, die vollständige Drogenabstinenz durchzupauken. Diese Politik ist gescheitert: Drogenabhängige werden kriminalisiert und verelenden, Anwohner werden geschädigt durch Aufbrüche, Einbrüche und Überfälle. Um eine Drogenpolitik im Sinne einer Schadensbegrenzung sowohl für Drogenkonsumenten (“Junkies“) als auch für Anwohner (“Spießer“) zu betreiben, wurde gefordert, neue Antworten zu geben anstelle des herkömmlichen Umgangs mit dem Drogenproblem. Solange der Gesetzgeber (Bundestag) nicht bereit ist, das von der Polizei beschlagnahmte Heroin billig oder kostenlos an die Süchtigen weiter zu geben, wäre die L-Polamidon-Vergabe an alle Süchtige das Optimale. Die Tagesdosis kostet zwischen DM 10,- und DM 20,-. Die Firma Hoechst (Pola-Produzent) wäre sicherlich bereit, einen Rabatt zu gewähren bei Abnahme von großen Mengen. Die täglichen Kosten von z.Zt. illegalem Heroin betragen zwischen DM 100,- und DM 200,-, die erst mal „verdient“ werden müssen. Wenn durch Pola-Vergabe der Beschaffungsstreß (Kriminalität und Prostitution) weitgehend beendet wird, könnten viele Abhängige wieder normal arbeiten, sie würden nicht mehr so auffallen, wie es leider überall in Bremen zu sehen ist. Weil die Politiker im Rathaus und in der Bürgerschaft ihre bisherige „Drogenpolitik“ mit „Wir haben zu wenig Geld“ entschuldigen, folgen noch einige kostengünstige Argumente: Weil das Pola getrunken wird, also nicht gespritzt werden muß, entfallen Krankenhauskosten, welche durch Spritzen-Wundinfektionen und Infektionserkrankungen, wie Aids und Gelbsucht, verursacht werden. Das Sozialamt zahlt hierfür täglich pro Patient etwa DM 500,-. Weiter entfallen Polizei- und Justiz-, inkl. Strafvollzugskosten. Und die Anwohner brauchen weniger Angst (und Kosten) vor „Beschaffungsstraftaten“ zu haben. Das letzte ist den Politikern zwar piepegal, ich halte es dennoch für sehr wichtig. Es würde nicht zuletzt die Akzeptanz bei der Unterbringung der Abhängigen fördern. Daß man Menschen in Metallcontainer steckt, ist — nebenbei gesagt — absurd. Das wäre zu vergleichen mit der Unterbringung von Bürgermeister W., Innensenator N. und Sozialsenatorin G. in einer Blechhütte ohne alkoholische Getränke, und das zusammen mit über 40 SPD-, FDP- und GRÜNE-Politprofis. Schrecklich, so etwas vor der Haustür zu haben. Sowohl Politiker als auch „Drogis“ können nur in Kleingruppen ertragen werden. Nun schenkt mal großzügig L-Polamidon ein. Dabei könnte man werben für die vom Staat angestrebte Abstinenz. Aber tue es, damit für alle Betroffenen das (Zusammen- )Leben erträglicher wird.

Gerrit Guit, Bremen-Woltmershausen