Elf-Tage-Reise ins Ungewisse

■ Bosnische Flüchtlinge sind gestern morgen in Bremen gelandet

Rote Rosen zum Frühstück gab es für die bosnischen Flüchtlinge von der Cap Anamur, die in der Nacht zum Freitag nach 11 Tagen Reise zu Wasser und zu Luft in Bremen gelandet sind. Mit dem Flugzeug mußten sie den Weg zwischen Lissabon und Hamburg zurücklegen, weil die dänischen und deutschen Berufsgenossenschaften den Frachter gezwungen hatten, den Hafen in Lissabon anzulaufen. Morgens um 2.30 Uhr trafen die Busse aus Hamburg vor der Bremer Stadthalle ein. Zur Begrüßung gab's für jedes Kind einen Teddybären. Die Flüchtlinge stuerten sofort auf die Betten zu, berichtet Almut Stoess vom Arbeiter-Samariter-Bund. Doch erst zweieinhalb Stunden später fanden auch die letzten Ruhe.

Noch am Morgen verteilten die Sozialbehörde und die HelferInnen vom Arbeiter-Samariter- Bund die Flüchtlinge quotengemäß auf die einzelnen Länder. „Wir mußten keine Familien oder Dorfgemeinschaften“ trennen, sagt Almut Stoess. Auch Rupert Neudeck, der Initiator der Cap Anamur-Aktion zeigte sich überrascht, wie einfach sich die Flüchtlinge nach dem Länderschlüssel aufteilen ließen. „Das Individuelle schlägt jetzt, da die Sicherheit da ist, durch“, sagte der Vorsitzende des Not-Ärzte- Komitees. Heute früh um acht sollte die Reise der Flüchtlinge an ihre neuen Bestimmungsorte mit dem Bus weitergehen.

Den Kindern scheinen die Fluchtstrapazen wenig anzuhaben: Sie lachen in die Kameras und malen: Blumen, Häuser, bosnische Wappen, Pistolen und Granaten. „Ich liebe Bosnien- Herzegowina“ steht — in deutscher Sprache — auf einem Bild. „Die weniger Munteren liegen im Bett und klammern sich an die Eltern“, sagt eine Betreuerin vom ASB.

Rupert Neudeck warf den Seeberufsgenossenschaften vor, sie hätten „am untauglichen Objekt ein Exempel statuiert“, als sie die Cap Anamur gestoppt hätten, weil sie für den Transport von Personen ungeeignet sei. Später, so Neudeck, hätten sie einen „Kompromiß“ angeboten: „Wir sollten zehn dänische Matrosen an Bord nehmen, dann hätten wir weiterfahren können“. Der Vorsitzende des Notärzte-Komitees sprach von einer „Intrige“, die „auf Kopf und Rücken der Flüchtlinge ausgetragen“ worden sei. Für die Flüchtlinge sei es ein „Schock“ gewesen, als die Cap Anamur wendete und zurück nach Lissabon fuhr. „Wir hatten Angst, wir fahren nach Split zurück“, sagte eine Flüchtlingsfrau. Daß die Air France sich schließlich bereit erklärt habe, die Flüchtlinge für 85.000 Mark von Lissabon nach Hamburg zu fliegen, bezeichnete Neudeck als „humanitäre Sensation“.

Den Versuch, die Flüchtlinge per Schiff aus dem Krisengebiet zu evakuieren, hält Claus Gehlhaar, der Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes für „normal und angemessen“. Rupert Neudeck räumte ein, die hygienischen Verhältnisse auf dem Schiff seien „problematisch“ gewesen: „Einige wußten nicht, was Toiletten sind.“ Auf dem Schiff habe es „Ärger“ mit einer Gruppe von 15 „Luxus-Flüchtlingen“ gegeben, die der Cap-Anamur-Besatzung von den kroatischen Behörden „auf's Auge gedrückt worden“ seien. Neudeck versicherte, dies werde die letzte Cap Anamur-Aktion zur Rettung bosnischer Flüchtlinge bleiben. Diemut Roether