Kettenbriefe aus dem Irgendwo

■ Ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Berliner Kunst und Grazer Festwochen

Berlin ist um eine Luftbrücke reicher: Der »steirische herbst'92« hat mit Vertretern der hiesigen Konzeptkunst ein Betriebsnetz aufgebaut, das nach den Gesetzen des Informationsflusses nur unter Einbeziehung der Medien funktioniert. Künstler setzen einen Gedanken in die Welt, der sofort an das Fernsehen und die Zeitungen weitergegeben wird, damit diese Organe der Kopfgeburt auf dem Rezensionswege zurück in den Presseordner der Kunstverwaltung verhelfen. Für diesen Kreislauf hat sich der steiermärkische Kurator Werner Fenz hintersinnigerweise den Titel KunstHeimatKunst einfallen lassen, der ungeniert Denken und Sein in die ontologische Schräglage wirft: »Wenn der physische Ort irgendwo ist, wo liegt der Denk-Raum?«

Statt eines betretenen Schweigens auf diese abwegige Frage hat Fenz ebenbürtige Antworten erhalten. Der Ostberliner Fotograf Kurt Buchwald verstellt bis zum Wochenende mit einer schwarzen Preßspanplatte den über das Marx-Engels-Forum schweifenden Touristenblick, danach haben die Besucher wieder freie Sicht auf das begehrte Motiv. Raimund Kummer durfte zwecks Pressebesichtigung ein Objekt in die Orangerie von Sanssouci stellen. Nun wird er Woche für Woche in den Potsdamer Neueste Nachrichten Anzeigen zur Vielzahl der seltsamen Pflanzensorten aus Groß-Fritzens Lustgarten schalten. Ob Kummer der Kunst ihre hohe Herkunft in der Betonung des feinen, fürstlichen Ambientes zurückgeben oder seine persönliche Neigung zur Wald-und- Wiesen-Ästhetik botanisieren will, bleibt dahingestellt. Schöne Namen haben die Pflänzchen allemal: Araukarie, Laurustinus und Liebesblume. Darüber wird sich nicht nur der Kurator freuen.

Was aber sollte die Medien und in ihrem Gefolge all die zwangsinformierten LeserInnen an einem solch hehren Ereignis interessieren, das am Ende einzig und allein der Fütterung eines Computers dient, der im extra dafür eingerichteten »Art-Office« von Graz steht? Die Kuratoren und Künstler haben darauf eine nicht unbedingt bescheidene, aber doch sehr pfiffige Antwort parat: Es geht ums Diskursmachen. Vielleicht hätte auch eine Diskussion am Rande der Künstlerbotschaft genügt. Sonst lebt womöglich der imaginäre Kettenbrief der Kulturschaffenden nur von der Eitelkeit des jeweiligen Diskurspartners.

Dabei erfreuen sich immerhin jedes Wochenende ungezählte Spaziergänger am Duft der Blumen in Potsdams Schloßgarten, und das Störobjekt von Kurt Buchwald könnte einem jeden Knipser als Plattform für die Kamera dienen. Damit die Bilder besser werden. Harald Fricke