„Uns fällt nichts Besseres ein“

■ Kreuzungsausbau Neustadt: Wie der Bausenator vor dem Beirat kapitulierte

Es sollte ein Informationsabend werden, aber es wurde die Entladung geballten Volkszorns. Etwa 250 aufgebrachte Neustädter nutzten eine Beiratssitzung im Schulzentrum Delmestraße am vergangenen Dienstag Abend, um ihre Wut gegen den Ausbau der Neuenlander Straße an den Kreuzungspunkten Friedrich- Ebert Straße und Langemarckstraße / Carl-Franke-Straße freien Lauf zu lassen.

Horst Flathmann vom Amt für Straßen- und Brückenbau (ASB) hatte von Sitzungsbeginn an schlechte Karten. Da stand er nun und sollte den Anwohnern den Ausbau in die Achtspurigkeit als umweltfreundliche Maßnahme verkaufen. „Stop-und-Go-Verkehr sorgt für mehr Lärm und für mehr Abgase. Es muß auch in Ihrem Interesse sein, daß der Verkehr in der Neuenlander Straße wieder rollt.“

Da buhten die Neustädter schon. Denn die Bausenatorin hatte rechtzeitig zur Beiratssitzung noch Öl in die Flammen der Empörung gegossen: Flächendeckend wurde Anfang der Woche ein Brief von Eva-Maria Lemke-Schulte an die Haushalte verteilt, in dem es u.a. heißt: „In der Neuenlander Straße können höhere Lärmbelästigungen durch Nahverkehr erst wahrgenommen werden, wenn die Verkehtszunahme mindestesn 50 — 100 % beträgt.“ — „Die Senatorin scheint uns verarschen zu wollen“, erklärte eine Neustädterin, die auf früheren Beiratssitzungen eher als Schlichterin bekannt geworden ist. „Ja, hält die Frau uns denn für doof“, lautete ein anderer Einwurf.

Die Philosophie der Bausenatorin: Der Verkehr in der Neuenlander Straße staut sich nur deshalb, weil die Kreuzungen nicht genug LKW-Verkehr durchlassen. Die wollen alle nur eins: Zum Güterverkehrszentrum ins Niedervieland. Eine Spur mehr pro Fahrtrichtung, das entspricht einer Straßenverbreiterung von 2,50 Meter pro Fahrtrichtung, erhöhe nicht das Verkehrsaufkommen, sondern trage nur dazu bei, die Staus auf der Straße aufzulösen.

Dazu hagelte es Fragen auf den Mann vom ASB: Wie weit denn nun die Straße nach Verbreiterung noch von den anliegenden Häusern entfernt sei? Was mit den Bäumen passiert. Wie man vermeiden wolle, daß die Verkehre nach der Verbreiterung weiter zunehmen? Wie man den Verkehr auf die einspurige Zufahrtstraße zum GVZ einzufädeln gedächte? Antworten gab es auf diese Fragen nicht, denn gegen 21.30 Uhr, als die Rednerliste erst zur Hälfte abgearbeitet war, beschlosen die Anwohner selbst, auf Antworten zu verzichten und bis zum bitteren Ende der Sitzung weiter zu wettern.

Zwischendurch wurden dann auch mal neue Vorschläge für die Umleitung des Verkehrs entworfen. Beiratssprecher Albers (SPD) schlug vor, den Verkehr für das Güterverkehrszentrum (GVZ) über die Richard-Dunkel- Straße und das Gelände der ehemaligen Stahlbau-Firma Kocks auf die Senator Apelt Straße zu führen. Die Grüne Janne Müller plädierte für eine Schnellbus-Linie, die die Neuenlander Straße vom Pendlerverkehr befreien soll sowie für ein Ansiedlungsstop beim GVZ. FDP-Mann Schöning vom Beirat forderte einen Probelauf: Für zwei, drei Wochen sollten die Linksabbieger-Spuren an den Kreuzungen in Geradaus- Spuren verwandelt werden: „Dann werden wir ja sehen, ob sich der Verkehr weiter staut oder nicht.“ Und die SPD-Beirats-Abgeordnete Möbius forderte gar einen Rückbau der Neuenlander Straße.

Als dann die Stimmung richtig aufgeheizt war, meldete sich auch noch Gerd-Axel Ahrens zu Wort, der bei der Bausenatorin zuständige Abteilungsleiter für Verkehr. „Wir wissen auch, das die von uns vorgeschlagene Lösung nicht das Gelbe vom Ei ist, aber uns fällt nichts Besseres ein“, sagte er freimütig. „Der Wirtschaftsverkehr rollt über uns hinweg, und das GVZ muß anfahrbereit bleiben.“

Das war zuviel für die Anwohner. „Uns interessiert nicht Verkehr, uns interessieren unsere Häuser“, schrien verschiedene Leute durch den Saal. „Wir wollen hier weiter leben“, schrien andere, und die kommissarische Ortsamtsleiterin Gisela Rose hatte trotz Glocke ihre liebe Mühe, die Ruhe einigermaßen wieder herzustellen.

Um 22.00 Uhr wurde die Beiratssitzung ergebnislos abgebrochen: Bevor die Bürgerschaft sich Mitte September mit diesem Thema beschäftigt, hat der Beirat eine Sondersizung für den 8.9. anberaumt. mad