Müssen Flüchtlinge nach Hohenschönhausen?

■ Innensenator Heckelmann hält daran fest, Anlaufstelle für Asylbewerber in den Plattenbaubezirk zu verlegen/ Nach Rostock Bedenken bei SPD und FDP

Berlin. Nach den ausländerfeindlichen Gewalttaten in Rostock machten sich gestern Berliner Politiker Gedanken, welche Konsequenzen Berlin aus diesen Vorfällen ziehen muß. Auf Bedenken bei SPD und FDP stieß insbesondere der Plan von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber nach Hohenschönhausen zu verlegen. Die Anlaufstelle, die jetzt noch am Friedrich- Krause-Ufer im Bezirk Tiergarten residiert, soll Mitte oder Ende September in ein Gewerbegebiet in der Ferdinand-Schultze-Straße verlegt werden, unweit der Plattenbauwohnungen des Stadtbezirks. „Genau diese Wohnsilos sind besondere Knackpunkte“, warnte der ausländerpolitische Sprecher der FDP- Fraktion, Thomas Seerig. Wenn sich vor dem neuen Dienstgebäude ähnliche Schlangen bilden sollten wie jetzt schon in Tiergarten, dann „produziert man die Konflikte“, meinte Seerig. Auch Eckhardt Barthel, der ausländerpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, sah in dem Umzugsplan „ein Problem“.

Überlegungen, den Umzug zu stornieren, gebe es nicht, sagte der Leiter der Ausländerbehörde, Ulrich von Chamier. Um die drangvolle Enge am Friedrich-Krause-Ufer zu beheben, sei die Verlagerung unumgänglich. Er könne die Bedenken „verstehen“, versicherte Chamier. Vor dem neuen Gebäude in Hohenschönhausen, einem „Provisorium allerschlimmster Art“, könnten durchaus lange Schlangen bis auf die Straße entstehen. Die Ausländerbehörde habe jedoch keinen anderen Standort gefunden, sondern überall „nur Absagen“ bekommen.

Die Fraktion Bündnis 90/Grüne sah in dem Umzug gestern kein Problem. Die Ausländerbehörde könne mit organisatorischen Mitteln verhindern, daß Schlangen entstehen, meinte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland. Er forderte den Senat auf, in Berlin mehr Flüchtlinge aufzunehmen. „Der Senat muß sich dafür einsetzen, daß die Zwangsverteilung von Flüchtlingen in die fünf neuen Länder aufhört“, verlangte Wieland. Auch der SPD-Experte Barthel meinte, man müsse jetzt erneut „darüber reden“, ob die Stadt nicht eine größere Zahl von Asylbewerbern aufnehmen könnte. Er habe aber auch „Angst“, bekannte Barthel, ob es nicht auch in Berlin einen „Boden“ für Angriffe auf Ausländer wie in Rostock geben könnte.

Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) wies die Forderungen zurück. Ursache der Aggressionen gegen Ausländer sei nicht die Zahl der Flüchtlinge in den fünf neuen Ländern, sondern die existentielle Verunsicherung, die viele Menschen dort erfaßt habe. Die neuen Bundesländer bräuchten allerdings mehr Unterstützung, um Probleme beim Zusammenleben mit Fremden bewältigen zu können.

In Berlin seien jetzt schon 20.000 Menschen in „Übergangseinrichtungen“ untergebracht. Darüber hinaus, so Stahmer, wäre ein Aufnahmeangebot für die Rostocker Flüchtlinge ein falsches Signal Richtung Bonn. Die Bundesregierung könnte den Eindruck gewinnen, daß es im Berliner Haushalt nicht an Geld mangele. hmt