: Medienkonzern Holtzbrinck schluckt den 'Tagesspiegel‘
■ Verlagsgruppe übernimmt 51 Prozent/ Kooperation mit Berliner Verlag gescheitert/ Bedauern bei Grünen und SPD, Freude bei CDU
Berlin. Nach wochenlangen Verhandlungen fiel nun in der Gesellschafterversammlung des Tagesspiegel-Verlages die Entscheidung: Das Berliner Traditionsblatt wird dem Medienkonzern Georg von Holtzbrinck einverleibt. Die Stuttgarter Verlagsgruppe wird 51 Prozent der Anteile an einer neu zu gründenden Gesellschaft übernehmen, in der die Verlagsaktivitäten des Tagesspiegel gebündelt werden. Die übrigen 49 Prozent werden von der Gesellschaft der bisherigen Anteilseigner, der Pressestiftung Tagesspiegel (26,54 Prozent), der Erbengemeinschaften F.K. Maier (27.86 Prozent) und Reger (25,1 Prozent) gehalten. 20,5 Prozent der Anteile sowie der gesamte Grundbesitz an der Potsdamer Straße und in Potsdam liegen weiterhin bei dieser Beteiligungsgesellschaft. An die Altgesellschafter wurde kein Kaufpreis gezahlt, doch werde, nach Ansicht von Tagesspiegel-Geschäftsführer Lothar C. Poll, der neue Partner in den nächsten Jahren »beträchtliche Dinge« in seinen Verlag investieren. Eine genaue Summe wollte Poll nicht nennen. Er betonte, daß es keine Entlassungen oder redaktionelle Veränderungen im Blatt, dafür aber »personelle Verstärkung« geben werde. Es sei denkbar, daß ihm ein zweiter Geschäftsführer zur Seite gestellt werde. Von dem neuen Gesellschafter erwartet er vor allem ein Engagement in der Anzeigenakquise und eine Ausnutzung der Mercator-Druckerei. Holtzbrinck wird diese auch für eigene Objekte nutzen, denkbar ist eine Ostausgabe des Handelsblatt.
Die Verhandlungen zwischen Tagesspiegel und dem Berliner Verlag über eine engere Kooperation sind vorerst gescheitert. Die neue Gesellschaft muß noch beim Bundeskartellamt angemeldet werden, von dort werden allerdings keine Einwände erwartet. Mit dem Einstieg übernimmt die Holtzbrinck-Gruppe auch die Beteiligungen an der Mercator- Druckerei, am Argon Verlag, an den Potsdamer Neueste Nachrichten, am Zweite Hand Verlag, der zu 30 Prozent dem Tagesspiegel gehört, und am Info-Radio, an dem er zu 40 Prozent beteiligt ist.
Der Holtzbrinck-Konzern ist eines der zehn größten deutschen Medienunternehmen. Ihm gehören unter anderem die Buchverlage S. Fischer, Rowohlt und Droemer und Knaur sowie zahlreiche Beteiligungen im Privatfunkbereich, unter anderem bei SAT 1. Im Printmediensektor besitzt der Verlag das Handelsblatt, die Saarbrücker Zeitung, den Südkurier und die Main Post. In den fünf neuen Bundesländern hat er bislang die Lausitzer Rundschau erworben. Holtzbrinck hatte früher bereits versucht, beim Spandauer Volksblatt einzusteigen.
Die Grünen/Bündnis 90 bedauerten den Verkauf des Tagesspiegel. »Die monopolartige Stellung Holtzbrincks« lasse nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden Renate Künast für den Tagesspiegel Schlimmes befürchten. SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt warnte vor einer Zeitung, »die wir alle nicht mehr wiedererkennen«. Hingegen fand CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky den Verkauf »eine gute Sache«. Er sei froh, daß dem Tagesspiegel damit ein Schicksal bei dem Berliner Verlag erspart geblieben sei. Dieter Rulff
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