Krankenschwestern aus Überzeugung

■ Diakonissen begründeten die modernste Krankenpflege / Anfänge der Behindertenbetreuung im "Krüppelheim"

/ Anfänge der Behindertenbetreuung im »Krüppelheim«

Die evangelisch-lutherische Diakonissenanstalt Alten Eichen wird in diesem Jahr 125 Jahre alt. Ihr Jubiläum begeht die Stiftung heute nachmittag mit einem Festakt in der Börse.

Die Diakonissen, ihr Name bedeutet Dienerinnen, sind keine Nonnen. Der Ursprung ihrer Schwesternschaft waren evangelische Frauen, die einen Beruf erlernen und als ausgebildete Krankenschwestern arbeiten wollten. Im Jahr 1836 gründeten sie in Kaiserswerth bei Düsseldorf die „Bildungsanstalt für evangelische Pflegerinnen“. Die Diakonissen wohnen zusammen in Mutterhäusern in Lebens-, Glaubens- und Arbeitsgemeinschaft.

Die „Schleswig-Holsteinische Diakonissenanstalt in Altona“ begann ihre Arbeit mit zwei Krankenpflegerinnen, die im städtischen Krankenhaus ausgebildet wurden. Sie gründeten 1867 die erste Diakonissen-Wohngemeinschaft mit gemeinsamer Kasse und Taschengeld an der heutigen Max-Brauer- Allee, wo sie auch Patienten aufnahmen. Drei Jahre später lebten und arbeiteten dort schon neun ausgebildete Pflegerinnen. Im Oktober 1875 wurden in der Steinstraße, der heutigen Hospitalstraße, ein Frauenkrankenhaus mit 15 Betten und ein Wohnhaus der evangelischen Krankenpflegerinnen eingeweiht.

Die Schwestern mit der weißen Kopftuchhaube leisteten auch Hauspflege, die bitter nötig war, denn im Jahr 1871 gab es in Altona gleichzeitig eine Pockenepidemie, Typhus, Cholera und Tuberkulose, und die Kranken waren auf häusliche Pflege angewiesen. Neben Tuberkulose gehörten Kinderkrankheiten wie Scharlach, Masern und Keuchhusten zu den häufigsten Todesursachen, die städtische Klinik nahm jedoch keine Patienten auf, die jünger als acht Jahre waren.

Die wichtigste und bekannteste Einrichtung der Diakonissenanstalt war das 1902 eröffnete „Krüppelheim Alten Eichen“ in Stellingen, dessen Schwerpunkt in der Schul- und Berufsausbildung von Körperbehinderten lag. Nach vierjähriger Lehrzeit in der anstaltseigenen Buchbinder-, Stuhlflechter, Schneider-, Schuhmacher- oder Tischlerwerkstatt legten die Gesellen ihre Prüfung vor der Altonaer Handwerkskammer ab.

Die berufliche Ausbildung in Alten Eichen trat aber in den dreißiger Jahren immer mehr zurück, die Werkstätten wurden nach und nach aufgegeben. Die Nationalsozialisten setzten statt auf Betreuung und Unterstützung der Behinderten auf „Entkrüppelung“. So hatte Pastor Johannes Hoffmann, der die Anstalt bis 1933 leitete, bedauert, daß es

1noch nicht gelungen sei, eine eigene Pflegeabteilung zu errichten.

Im Gegensatz dazu betonte sein Nachfolger Pfarrer Adolf Stahl, in Alten Eichen würde keine Pflegearbeit geleistet, das Haus diene vielmehr dem Zweck, „bildungsfähige Krüppel im jugendlichen Alter

1durch chirurgisch-orthopädische Behandlung und ... Ausbildung dem Berufsleben zuzuführen, und dadurch als nützliche Glieder in die Volksgemeinschaft einzugliedern.“

Bei den Bombenangriffen auf Hamburg im Juli 1943 wurden die Gebäude der Diakonissenanstalt in

1Altona und in Alten Eichen nahezu vollständig zerstört. In Stellingen unterhält die evangelische Stiftung heute ein Krankenhaus mit 230 Betten, eine Fachschule für Sozialpädagogik, in Altona ein Wohnheim und ein Tagespflegehaus für Senioren. Vera Stadie