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Mit der StVO Tempo 30 erhalten

■ Tempo-30-Aufhebung: Verkehrsverwaltung könnte vor Gericht in Schwierigkeiten kommen Anwohnern kann einmal eingeführter Schutz vor Unfällen und Lärm nicht einfach genommen werden

Berlin. In wenigen Straßen sind bereits Tempo-30-Schilder abmontiert, in den kommenden Wochen wird in mehreren Dutzend weiteren verkehrsberuhigten Straßen im Westteil der Stadt Tempo 50 erlaubt. Jetzt überlegen verschiedene Verkehrs- und Anwohnerinitiativen, gegen die Anordnung der Verkehrsverwaltung vor Gericht zu ziehen. Und weil dem Gericht politische Gründe nicht ausreichten, um eingeführte Verkehrsregeln abzuschaffen, sei es „für die Verkehrsverwaltung nicht einfach“, sagte Rechtsanwalt Stefan Klinski am Montag abend vor einem halben Dutzend Bürgerinitiativen im Rathaus Schöneberg. Möglicherweise muß die Verwaltung während des Streits um Paragraphen den alten Zustand wiederherstellen und die abmontierten Schilder wieder aufstellen – bis nach etwa eineinhalb Jahren ein endgültiges Urteil gefällt wird.

Anwohnern kommt in der Auseinandersetzung um Tempo 30 die Straßenverkehrsordnung (StVO) zu Hilfe. Paragraph 45 besagt, daß die Straßenverkehrsbehörde – in Berlin der Polizeipräsident – Strecken beschränken und verbieten darf. Diese Befugnis gelte insbesondere dem Schutz der Wohnbevölkerung „vor Unfällen, Lärm und Luftverschmutzung“, erläuterte Klinski. In diesem Fall sei darüber hinaus bedeutsam, daß es nicht um die Einführung einer neuen Regelung gehe, sondern um die Abschaffung einer bestehenden. Doch was einmal geschaffen sei, könne nicht einfach wieder beseitigt werden, sagte der Anwalt. Der Verkehrssenator müsse gewichtige Belange haben.

Im Zweifelsfall müsse seine Verwaltung für jede umstrittene Straße belegen, daß das Ziel, das mit der Einführung von Tempo 30 erreicht werden sollte, nicht erreicht worden ist. Diese Begründung aber könnte die Verwaltung in Schwierigkeiten bringen, denn im allgemeinen sind die Unfälle – nach Klinskis Einschätzung für einen Richter die bedeutendste Frage – in ihrer Anzahl und Schwere zurückgegangen. Eines der wichtigsten Zwecke von Tempo 30 sei also erreicht worden. Daß der Verkehr unter anderem durch die Maueröffnung zugenommen habe, sei dagegen kein Argument für ein schnelleres Tempo. Denn durch mehr Autos wachse bereits die Unfallgefahr, durch mehr Tempo werde dieser Effekt noch verstärkt.

Wichtig sei, daß Anwohner innerhalb von vier Wochen nach einer Tempo-30-Aufhebung Widerspruch beim Verwaltungsgericht einlegen. Da ein Anwalt im Verwaltungrecht nicht notwendig sei, beliefen sich die Kosten einer späteren Klage auf wenige hundert Mark. Bei seinem kommenden Treffen will der „Koordinierungskreis verkehrsberuhigter Tempo-30-Straßen“ interessierten Initiativen bei der Begründung von Widersprüchen helfen. Dirk Wildt

Nächstes Treffen des Koordinierungskreises: Do., 12. 11., 20 Uhr, Rathaus Schöneberg; Telefon 7841758 (vormittags) + 7833731 (nachmittags).

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