■ Nachruf auf Petra und Gert
: Im besten Sinne subversiv

Wir wollten den ersten Meldungen über ihren Tod keinen Glauben schenken und erst recht nicht den Umständen. Alles an den Begegnungen mit Petra Kelly und Gert Bastian war immer so klar und eindeutig, daß Spekulatives und Mysteriöses mit ihnen einfach nicht in Zusammenhang zu bringen ist. Kennengelernt haben wir sie an jenem denkwürdigen 31.Oktober 1983, als eine Grünen-Delegation einen Termin bei Erich Honecker hatte: Petra trug ein T-Shirt mit dem Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“, was zu Überraschung und einigem Unverständnis auch in den eigenen Reihen führte. Allzu ungewohnt schien vielen der respektlose Umgang mit der Macht.

An diesem Tag hat die Freundschaft begonnen zwischen Petra und Gert und einer Reihe von Menschen aus der damals noch sehr kleinen Friedens- und Umweltbewegung der DDR. In regelmäßigen Abständen kam es zu Begegnungen in verschiedenen Ostberliner Wohnungen. Es wurden keine politischen Statements ausgetauscht, sondern persönliche Erfahrungen und Ideen. Es ging uns darum, nicht gegenüber den Regierenden, sondern untereinander loyal zu sein, uns in eigene Angelegenheiten einzumischen. Petra Kelly und Gert Bastian haben ihre parlamentarische Arbeit auf glückliche Weise mit nichtparlamentarischen Initiativen verbunden. Sie standen auf der Seite der Verfolgten, der Gefolterten, der Inhaftierten. Wenn sie einen offiziellen Termin wahrnehmen sollten, taten sie das nur, wenn auch ein Gespräch mit Opppositionellen möglich war. Wenn in Berlin, Jena oder Leipzig Menschen wegen ihres Einsatzes für Frieden und Menschenrechte verhaftet wurden, waren Petra und Gert die ersten, die öffentlich die Freilassung forderten. Wenn sie unsere Wohnung betraten, verteilten sie zuerst kleine Geschenke an die Kinder, dann Bücher oder Zeitschriften, die wir dringend benötigten. Sie waren im besten Sinne subversiv, aber niemals konspirative Kleinigkeitskrämer. Die Staatssicherheit hat sie sofort richtig einsortiert als feindlich-negative Kräfte. Ich kenne niemanden aus der alten Bundesrepublik, gegenüber dem die damalige DDR-Opposition zu mehr Dank verpflichtet wäre als gegenüber Petra und Gert.

Aber es gab bei den Grünen auch viele der sogenannten „realistischen Kräfte“, die eher am Erhalt des Status quo und an der Herstellung guter Beziehungen zu SED-Funktionären interessiert waren als an Kontakten mit der DDR-Opposition. Es wäre falsch, die Schwierigkeiten unerwähnt zu lassen, die Petra und Gert häufig mit der eigenen Partei hatten.

Die Deutschen sind ärmer geworden seit dem Tod von Willy Brandt, von Petra Kelly und Gert Bastian. Und nicht nur die Deutschen haben einen großen Verlust zu beklagen: Die Lücke, die der Tod dieser Menschen hinterläßt, wird sich überall dort schmerzhaft erweisen, wo Menschen sich mutig und trotz aller Repressalien gegen Menschenrechtsverletzungen zur Wehr setzen. Petra Kellys und Gert Bastians Tod stellt uns vor die schwer lösbare Aufgabe, ihre vielen Pläne nun ohne sie in die Tat umzusetzen. Gerd Poppe

MdB Bündnis 90/Die Grünen